Eine Unheilvolle Liebe
wusste ich auch, wer das war.
Es war der Mensch, den wir beide so sehr liebten wie Lena, sogar im Tod.
Es war meine Mutter. Meine Mutter, die Bücher und alte Dinge, Geschichte und Vielschichtigkeit geliebt hatte und die so anders gewesen war als alle anderen. Die Macon so sehr geliebt hatte, dass sie ihn verließ, als er sie darum bat, obwohl sie es kaum ertragen konnte. Und ein Teil von ihr hatte ihn wohl auch nie verlassen.
»Sie war es, oder?«
Macon nickte. »Deine Mutter war die Einzige, die von dem Bogenlicht wusste. Ich habe es ihr gegeben. Jeder Inkubus, der davon gewusst hätte, hätte sie getötet, um das Bogenlicht zu zerstören. Es war unser Geheimnis. Eines unserer letzten Geheimnisse.«
»Haben Sie sie gesehen?« Ich blickte angestrengt aufs Meer hinaus.
Macons Gesichtsausdruck verriet seinen Schmerz. »Ja.«
»War sie …« Was? Glücklich? Tot? Sie selbst?
»Sie war so schön wie immer. Schön wie an dem Tag, an dem sie von uns gegangen ist.«
»Ich habe sie auch gesehen.« Ich dachte an den Bonaventura-Friedhof und sofort hatte ich einen Kloß im Hals.
»Aber das ist völlig unmöglich!« Liv wollte Macon nicht reizen, sie verstand ihn einfach nicht. Keiner von uns verstand ihn.
Macons Augen waren von Trauer umschattet. Es war für ihn genauso schwierig, von meiner Mutter zu sprechen, wie für mich.
»Ich glaube, das Unmögliche ereignet sich häufiger, als wir ahnen, besonders in der Welt der Caster. Wenn es Ihnen nichts ausmacht, sich ein letztes Mal mit mir auf die Reise zu begeben, dann werde ich es Ihnen zeigen.« Er umfasste meine Hand und streckte Liv die andere hin. Ridley kam zu mir und nahm meine Hand. Zuletzt kam auch Link herbeigehumpelt und schloss den Kreis.
Macon suchte meinen Blick, aber ehe ich ihn erwidern konnte, war alles schon voller Rauch …
Macon kämpfte heftig dagegen an, nicht das Bewusstsein zu verlieren. Über sich sah er den tiefschwarzen Himmel, in dem orangefarbene Flammen zuckten. Er sah nicht zu, wie Hunting das Blut aus ihm saugte, aber er spürte die Zähne seines Bruders in seiner Schulter. Als Hunting genug hatte, stieß er Macon zu Boden.
Als Macon die Augen wieder aufschlug, beugte sich Lenas Großmutter über ihn. Er spürte, wie ihre Heilkräfte seinen Körper mit Wärme erfüllten. Ethan war auch da. Macon wollte sprechen, aber er wusste nicht, ob sie ihn hören konnten. Sucht Lena, wollte er sagen. Ethan hatte ihn wohl verstanden, denn gleich darauf verschwand er in dem Rauch und dem Feuer.
Der Junge ähnelte Amarie, er war genauso dickköpfig und furchtlos wie sie. Und er ähnelte seiner Mutter in seiner Treue und Aufrichtigkeit. Aber der Schmerz, der ihm aus der Liebe zu einem Caster-Mädchen erwachsen würde, stand ihm erst noch bevor. Macon dachte an Jane, bis ihm schließlich die Sinne schwanden.
Als er die Augen das nächste Mal aufschlug, war das Feuer erloschen. Der Rauch, das Brüllen der Flammen und das Donnern der Geschütze – alles hatte sich verzogen. Er driftete durch die Dunkelheit, allerdings nicht so, wie er es tat, wenn er raumwandelte. Denn diese Leere lastete schwer, diese Dunkelheit erdrückte. Als er seine Hand ausstreckte, sah er, dass sie verschwommen war und nur teilweise Gestalt hatte.
Er war tot.
Lena hatte ihre Wahl also getroffen. Sie hatte sich entschieden, Licht zu werden. Sogar in dem Wissen, wie es ihm als Inkubus in der Anderwelt ergehen würde, überkam ihn eine große Ruhe. Es war vorbei.
»Noch nicht. Nicht für dich.«
Macon wandte sich der Stimme zu, die er sofort erkannt hatte. Jane. Sie war eine irisierende Lichtgestalt und strahlend schön. »Jane, ich wollte dir noch so viel sagen.«
Sie schüttelte den Kopf, ihr braunes Haar fiel ihr über die Schulter. »Dafür ist jetzt keine Zeit.«
»Wir haben Zeit im Überfluss.«
»Nimm meine Hand«, sagte sie. Ihre Finger schimmerten.
Sobald Macon ihre Hand berührt hatte, zerfloss die Dunkelheit in Farben und Licht. Er sah Bilder, vertraute Dinge, aber alle waren seltsam verschwommen und flüchtig. Da wurde ihm klar, wo sie waren. Im Archiv, Janes Lieblingsort.
»Jane, was geht hier vor?« Sie streckte die Hand nach etwas aus, aber auch das sah er nur verschwommen und undeutlich. Dann hörte er sie die Worte aussprechen, die er sie gelehrt hatte.
»Hinter diesen Mauern, losgelöst von Raum und Zeit, seist du gebunden in Ewigkeit.«
Sie hielt etwas in der Hand. Das Bogenlicht. »Jane, tu es nicht! Ich möchte hier mit dir zusammen
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