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Eine Unheilvolle Liebe

Eine Unheilvolle Liebe

Titel: Eine Unheilvolle Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kami Garcia
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einem Bajonett.«
    Marian lachte und ich wurde rot. »Was hat sie dir denn erzählt?«, fragte ich verlegen.
    »Nur dass du unglaublich klug und tapfer und tugendhaft bist, einfach einer, der alles kann. Genau so wie man sich den Sohn der hochverehrten Lila Evers Wate vorstellt. Und dass du in diesem Sommer mein ergebener Helfer sein wirst, den ich nach Belieben herumkommandieren kann.« Sie lächelte mich an und ich war total neben der Spur.
    Sie hatte weder Ähnlichkeit mit Lena noch mit den anderen Mädchen in Gatlin. Und das war an sich schon verwirrend. Alles, was sie anhatte, war abgetragen, angefangen von ihren verwaschenen Jeans und den seltsamen Perlenbändchen am Handgelenk bis zu ihren löchrigen silberfarbenen Sneakers, die mit Klebeband zusammengehalten wurden, und einem schäbigen Pink-Floyd-T-Shirt. Am Arm trug sie eine große schwarze Armbanduhr aus Plastik, die ein völlig verrückt aussehendes Ziffernblatt hatte. Ich war zu verwirrt, um auch nur ein Wort zu sagen.
    Marian kam mir zu Hilfe. »Glaub nicht alles, was Liv sagt. Sie will dich nur ärgern. Unauslöschliches Lachen befiel die unsterblichen Götter , Ethan.«
    »Plato. Und wer will hier wen ärgern?« Liv lachte.
    »Ich jedenfalls niemanden.« Marian lächelte, aber sie war sichtlich beeindruckt.
    »Aber er lacht gar nicht.« Liv deutete mit ernster Miene auf mich. »Hollow laughter in marble halls.«
    »Shakespeare?« Ich blickte sie fragend an.
    Liv zwinkerte mir zu und zupfte an ihrem T-Shirt. »Pink Floyd. Ich sehe schon, du musst noch viel lernen.« Ja, sie war wirklich eine Teenager-Ausgabe von Marian und ganz und gar nicht so, wie ich sie mir vorgestellt hatte.
    »Nun, Kinder.« Marian streckte die Hand aus und ich half ihr beim Aufstehen. Sogar an einem heißen Tag wie diesem schaffte sie es, frisch auszusehen. Die Frisur saß perfekt. Ihre gemusterte Bluse knisterte, als Marian vor mir herging. »Die Bücherstapel überlasse ich dir, Olivia. Für Ethan habe ich eine besondere Aufgabe im Archiv.«
    »Klar doch. Die hoch qualifizierte Geschichtsstudentin sortiert Bücher, während der ungebildete Faulpelz im Archiv arbeiten darf. Ganz schön amerikanisch.« Liv verdrehte die Augen und hob eine Kiste Bücher hoch.
    Im Archiv hatte sich nichts verändert, seit ich vor einem Monat bei Marian wegen eines Ferienjobs nachgefragt hatte und dann lange dageblieben war, um über Lena und meinen Vater und Macon zu reden. Marian hatte Mitleid mit mir gehabt, wie immer. Im Regal über dem früheren Schreibtisch meiner Mutter standen Register aus dem Bürgerkrieg und ihre Sammlung alter gläserner Briefbeschwerer. Neben dem unförmigen Apfel aus Ton, den ich in der ersten Klasse für sie gemacht hatte, lag eine glänzende schwarze Kugel. Die Bücher und die gemeinsamen Notizen meiner Mutter und Marians stapelten sich immer noch auf dem Schreibtisch, neben vergilbten Karten von Ravenwood und Greenbrier, die ausgebreitet auf dem Tisch lagen. Jeder Papierschnipsel mit Moms Handschrift vermittelte mir den Eindruck, sie wäre noch hier. Auch wenn ich manchmal das Gefühl hatte, alles in meinem Leben liefe schief – sobald ich hier an diesem Ort war, ging es mir gleich ein bisschen besser. Meine Mutter war die Einzige gewesen, die alles wieder ins Lot bringen konnte, oder die mir zumindest das Gefühl geben konnte, alles käme wieder ins Lot.
    Aber heute ging mir noch etwas anderes im Kopf herum. »Das also ist deine Praktikantin in diesem Sommer?«
    »Ja.«
    »Du hast mir nicht gesagt, dass sie so ist.«
    »Wie ist sie denn?«
    »So wie du.«
    »Was stört dich daran? Dass sie Köpfchen hat? Oder sind es vielleicht ihre langen blonden Haare? Wie muss eine Bibliothekarin denn aussehen? Große Brille und graue Haare in einem Knoten? Ich dachte eigentlich, deine Mutter und ich hätten dich eines Besseren belehrt.« Sie hatte recht. Meine Mutter und Marian hatten immer zu den hübschesten Frauen in ganz Gatlin gehört. »Liv wird nicht lange hier sein und sie ist nicht viel älter als du. Ich dachte, du könntest ihr die Stadt zeigen und sie mit ein paar Leuten in eurem Alter bekannt machen.«
    »Mit wem zum Beispiel? Link? Damit sein Wortschatz größer wird und bei ihr einige Tausend Gehirnzellen absterben?« Ich verschwieg, dass Link wahrscheinlich die meiste Zeit versuchen würde, sie anzubaggern, was ich allerdings für ziemlich aussichtslos hielt.
    »Ich hatte eigentlich an Lena gedacht.«
    Das Schweigen, das danach im Raum stand, war mir peinlich.

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