Eine Unheilvolle Liebe
jeder, woraus all das Backwerk besteht.
Lena hatte nicht versucht, Ridley und John Breed aufzuhalten, sie machte mit ihnen gemeinsame Sache!
Lena! Hör auf damit!
Aber Lena dachte nicht daran, aufzuhören. Das war die Rache für die Jackson Schutzengel und für die Versammlung des Disziplinarausschusses, für all das heuchlerische Trostessen, das die Frauen von Gatlin vor der Tür von Ravenwood abgestellt hatten, und für jeden Blick des Bedauerns, für jedes unaufrichtige Gefühl. Lena zahlte es ihnen heim, sie schleuderte ihnen ihre Verachtung ins Gesicht. Vielleicht war es ihre Art, Abschied zu nehmen.
Amma sprach zu Lena, als wären die beiden ganz allein im Zelt. »Genug, Kind. Das, was du willst, bekommst du von diesen Leuten hier nicht. Eine elende Entschuldigung führt nur zu noch größerem Elend. Es ist ein Backblech voll von Nichts.«
Plötzlich war Tante Prues gellende Stimme zu hören. »Hilf, guter Gott. Grace hat einen Herzanfall!«
Tante Grace lag bewusstlos auf dem Boden. Grayson Petty hatte sich über sie gebeugt und fühlte ihren Puls, während Tante Prue und Tante Mercy die Schaben von ihrer Schwester wegscheuchten.
»Genug, hab ich gesagt!«, dröhnte Amma von der Bühne herab, während ich zu Tante Grace rannte. Es herrschte ein solcher Aufruhr, dass es mich nicht gewundert hätte, wenn das Zelt über uns eingestürzt wäre.
Als ich mich bückte, um Grace zu helfen, sah ich aus dem Augenwinkel, dass Amma etwas aus ihrer Handtasche zog und hochhielt.
Es war unser alter hölzerner Kochlöffel in seiner ganzen Pracht. Die Einäugige Drohung. Amma ließ ihn krachend auf den Tisch niedersausen.
»Au!« Quer durch das Zelt hörte man Ridley aufstöhnen. Der Lolli fiel ihr aus der Hand und rollte in den Staub, als hätte Amma ihn ihr mit dem Kochlöffel weggeschlagen.
Und dann war es vorbei. Ich drehte mich nach Lena um, aber sie war wie vom Erdboden verschluckt. Der Bann war gebrochen. Die Schaben krabbelten aus dem Zelt, zurück blieben nur die Raupen und Würmer.
Und ich, der ich mich über Tante Grace gebeugt hatte, um mich zu vergewissern, dass sie noch atmete.
Lena, was hast du getan?
Link verließ mit mir das Zelt, er hatte wie üblich nichts verstanden. »Ich kapier das nicht. Warum sollte Lena dem Caster-Boy und Ridley helfen, eine solche Nummer abzuziehen? Die Leute hätten sich ernsthaft verletzen können.«
Ich suchte die Buden in der Nähe ab, aber von Lena und Ridley war keine Spur zu sehen. Überall waren freiwillige Helfer des Jugendvereins dabei, alten Damen frische Luft zuzufächeln und an die Opfer dieses höllischen Backwettbewerbs Plastikbecher mit Wasser auszuteilen.
»Ja, wie zum Beispiel meine Tante Grace.«
Link zupfte an seiner Jeans, um sicherzugehen, dass kein Ungeziefer darauf herumkrabbelte. »Ehrlich, ich dachte schon, sie hätte den Löffel abgegeben. Zum Glück war sie nur ohnmächtig. Wahrscheinlich die Hitze.«
»Ja. Zum Glück.« Aber ich war nicht glücklich. Ich war viel zu wütend. Ich musste schleunigst Lena auftreiben, auch wenn sie mir noch so sehr aus dem Weg gehen wollte. Sie war mir eine Erklärung schuldig, weshalb sie sämtliche Menschen in dem Zelt in Angst und Schrecken versetzt hatte, nur um es ein paar Leuten heimzuzahlen. Aber wem eigentlich? Ein paar alternden Schönheitsköniginnen? Links Mutter, die nicht mal mehr eine Schönheitskönigin war, sondern nur noch alternd? So etwas würde Ridley tun, aber doch nicht Lena.
Es wurde langsam dunkel. Link suchte im Schein der blinkenden Lichter die Menge der Jahrmarktsbesucher ab und drängte sich durch einen Pulk hysterischer Damen, denen man ansah, dass sie allesamt fromme Kirchgängerinnen waren. »Wo ist eigentlich Liv abgeblieben? War sie nicht bei dir?«
»Keine Ahnung, wo sie ist. Als die Käferorgie begann, hab ich sie zum Hinterausgang rausgeschickt.«
Bei dem Wort Käfer schüttelte sich Link angewidert. »Sollen wir sie suchen?«
Vor dem Spiegelkabinett wand sich eine Schlange Wartender, also schlug ich diese Richtung ein. »Ich bin mir sicher, dass Liv auf sich selbst aufpassen kann. Wir sollten sie besser aus dem Spiel lassen.«
»Dann los.«
Nur ein paar Schritte vom Tunnel der Liebe entfernt, bogen wir um die Ecke. Und da sahen wir sie. Ridley, Lena und John standen vor den schäbigen Plastikwägelchen, die wie Gondeln bemalt waren. Lena stand in der Mitte, eine Lederjacke über den Schultern. Dabei wusste ich genau, dass sie keine Lederjacke hatte. Sie nicht, wohl
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