Eine Unheilvolle Liebe
Schlusslicht. »Meine ist auch aus«, sagte sie, als ihre Fackel ebenfalls erlosch. Plötzlich war es zappenduster. Die feuchte Gesteinsdecke war so niedrig, dass wir uns ducken mussten.
»Ich werd hier noch wahnsinnig.« Link hatte es noch nie leiden können, wenn es stockdunkel war.
»Früher oder später stehen wir vor einer …«, setzte Liv an, als ich im selben Moment mit dem Kopf gegen etwas Hartes, Kaltes stieß.
»Aua!«
»… Tür.«
Anscheinend hatte Link seine Taschenlampe aus der Hosentasche gezogen, denn ein flackernder Lichtstrahl beleuchtete die Tür vor mir. Sie war aus blankem Metall und nicht wie die anderen Türen bisher aus Holzbalken oder bröckelndem Stein. Sie sah eher aus wie ein verdeckter Einstiegsschacht in der Wand. Ich stemmte mich mit der Schulter dagegen, aber nichts rührte sich.
»Was jetzt?«, fragte ich Liv, die, was Caster anging, mein Marian-Ersatz war. Ich hörte, wie sie in ihrem Notizbuch blätterte.
»Ich weiß nicht. Vielleicht musst du stärker drücken?«
»Steht das etwa in deinem kleinen schlauen Buch?«, fragte ich bissig.
»Soll ich über euch drüberklettern und es selbst mal versuchen?«, erwiderte Liv gereizt.
»Kinder, Kinder, immer mit der Ruhe«, mischte Link sich ein. »Ich stemme mich gegen Ethan, du stemmst dich gegen mich und Ethan stemmt sich gegen die Tür.«
»Brillant«, sagte Liv trocken.
»Schulter an Schulter, MJ.«
»Wie bitte?«
»Marian junior. Du wolltest doch ein Abenteuer erleben. Hast du etwa eine bessere Idee?«
Die Tür hatte weder einen Griff noch ein Scharnier, sie bestand lediglich aus einer kreisrunden Metallscheibe, die passgenau in einen runden Rahmen eingefügt war. Kein Lichtstrahl drang durch die Ritzen. »Link hat recht. Wir haben keine Wahl. Jetzt zurückzugehen, ist völlig ausgeschlossen.« Ich stemmte die Schulter gegen die Tür. »Eins, zwei, drei, los!«
Kaum hatten meine Fingerspitzen die Tür berührt, klappte sie auch schon auf. Man hätte fast meinen können, meine Haut wäre eine Art genetischer Schlüssel, der sie aufsperrte. Link stieß gegen mich und Liv prallte gegen uns beide. Ich fiel hin und schlug mit dem Kopf auf etwas sehr Hartes. Mir wurde schwindelig, alles verschwamm vor meinen Augen.
Als ich wieder klar sehen konnte, starrte ich in eine Straßenlampe.
»Was ist passiert?« Link war genauso verdattert wie ich.
Benommen betastete ich den harten Boden. Es waren Pflastersteine. »Ich habe die Tür nur ganz leicht berührt, und schwupp!, ging sie auf.«
»Erstaunlich.« Liv stand auf und sah sich neugierig um.
Ich lag mitten auf einer Straße in einem Ort, der irgendeine alte Stadt aus einem Geschichtsbuch hätte sein können. Direkt hinter mir endete der Weg an der runden Öffnung, durch die wir gestolpert waren. Daneben hing ein Messingschild mit der Aufschrift WESTLICHER ZUGANG, ZENTRALBIBLIOTHEK.
Link setzte sich auf und rieb sich den Kopf. »Heilige Scheiße. Hier sieht’s so aus, als könnte Jack the Ripper jede Sekunde um die Ecke kommen und uns aufschlitzen.«
Er hatte recht. Ich kam mir tatsächlich vor wie im London des 19. Jahrhunderts. Die Umgebung war düster und wurde nur vom schwachen Licht einiger weniger Straßenlampen erhellt. Große Backsteinhäuser säumten zu beiden Seiten die Straße, allerdings waren nur die Hinterhoffassaden zu sehen.
Entschlossen ging Liv ein paar Schritte auf der menschenleeren Straße. Sie blickte nach oben zu einem alten eisernen Straßenschild. Darauf stand: ZITADELLE.
»So heißt bestimmt dieser Tunnel hier. Nicht zu fassen. Professor Ashcroft hat mir zwar davon erzählt, aber selbst in meinen kühnsten Träumen hätte ich es mir nicht so ausgemalt. Bücher allein können anscheinend niemals eine richtige Vorstellung von so einem Ort geben.«
»Ja, das ist so wie mit Ansichtskarten.« Link stand mühsam auf. »Ich möchte bloß wissen, wo die Decke geblieben ist.«
Die Tunneldecke war verschwunden, stattdessen wölbte sich ein dunkler Abendhimmel über uns, so weit und so echt und so sternenübersät, wie ich kaum je einen Abendhimmel gesehen hatte.
Liv zog ihr Notizbuch aus der Tasche und fing an zu schreiben. »Kapiert ihr das nicht? Das ist ein Caster-Labyrinth und kein übernatürliches U-Bahn-Netz von Gatlin, hier huschen keine Caster herum und leihen Bücher aus.«
»Und was genau ist es dann?« Ich strich mit der Hand über die rohe Ziegelsteinwand eines Gebäudes.
»Das sind Straßen in eine andere Welt, um nicht zu sagen, ein
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