Eine unzüchtige Lady
in ihr aufflammen.
Er hatte recht. Miss Reid war ganz und gar nicht gleichgültig. Nach den hektischen Flecken auf ihren Wangen zu urteilen, war eher das Gegenteil der Fall.
»Ja, ich spreche aus Erfahrung.« Caroline täuschte eine Lässigkeit vor, die sie nicht verspürte. »Aber ich bin wohl kaum hier, um über meine Torheit zu reden, sondern eher über Eure. Sagt mir eines: Glaubt Ihr, dass Ihr Lord Hyatt heiraten könnt und diese Entscheidung nicht bereut?«
»Wenn ich nicht glauben würde, dass er eine vernünftige Wahl ist, hätte ich seinen Antrag wohl kaum angenommen.«
»Vergebt mir, aber dem Wort ›Vernunft‹ fehlt wohl jeglicher Bezug zu einem romantischen Ideal.«
Weiche Lippen pressten sich zu einer harten Linie. »Ich hatte einst ein romantisches Ideal, Lady Wynn. Und ich habe herausfinden müssen, dass ich einem Märchen aufgesessen bin, einem Mythos, den ich mit meinem eigenen, dummen Verstand kreiert habe. Da Derek offensichtlich mit Euch über mich gesprochen hat, wisst Ihr vielleicht bereits, dass ich einst in schwärmerischer Liebe für ihn entbrannt war. Sein gutes Aussehen und sein Charme haben mir den Kopf verdreht. Das war noch vor meinem Debüt, und damals war ich besonders anfällig für seinen Zauber. Ich habe davon geträumt, er werde eines Tages meine Gefühle erwidern. Ich kannte seinen zweifelhaften Ruf, aber irgendwie kümmerte mich das nicht. Wie eine Närrin habe ich davon geträumt, er könne sich um meinetwillen ändern.«
Caroline flüsterte: »Ich glaube, ich verstehe sehr gut, was Ihr meint.«
Annabel schüttelte den Kopf. Eine ferne Erinnerung blitzte in ihren Augen auf, und sie blinzelte. »Das war mein Irrtum.«
»Er hat mir seine Version der Geschichte erzählt. Ich muss zugeben, dass ich ihm glaube, wenn er sagt, er bereue aufrichtig,
Euch wehgetan und Eure Achtung verloren zu haben.« Lord Manderville hatte sich bei seinem kurzen Bericht nicht geschont und sein eigenes Verhalten als unsensibel und egoistisch bezeichnet. Caroline konnte nur raten, wie viel es seinen männlichen Stolz kostete, so ehrlich seine Gefühle einer gewissermaßen fremden Person zu offenbaren. Sie hatte aber den Eindruck, er war so aufrichtig, weil er verzweifelt auf ihre Hilfe hoffte. Der Zwischenfall in der Kutsche mit Nicholas schien ihr zu zeigen, dass der Earl auch seinen Teil des Handels erfüllte. Darum wollte Caroline diesen Gefallen erwidern. Auch wenn sie es ihm nicht versprochen hätte, war der niedergeschlagene Gesichtsausdruck von Annabel Reid ihr Ansporn genug.
Sie wusste nur allzu gut, wie Annabel sich fühlte.
Die junge Frau stand neben dem Pianoforte und glättete mit zitternder Hand gedankenverloren ihren Rock. Doch ihr Blick war direkt auf Caroline gerichtet. »Ja, er hat mich verletzt. Und ja, er hat meine Achtung verloren.«
»Und Ihr glaubt, Lord Hyatt könne Euer gebrochenes Herz wieder kitten?«
Die Frage hing in der Stille zwischen ihnen.
Das Schweigen war ihr Antwort genug.
Würdevoll sagte Annabel schließlich: »Ich glaube, er wird mich gut behandeln, mir Kinder schenken. Wir werden gut miteinander auskommen. Er ist ebenso wenig in mich verliebt, soweit ich das beurteilen kann, und für mich ist das tatsächlich eine Erleichterung. Es bedeutet, wir wollen mit dieser Eheschließung dasselbe erreichen. Einen Gefährten finden und eine Familie gründen.«
»Was ist mit der Leidenschaft? Was passiert, wenn Ihr keine Kinder bekommt? Ich kann mit Fug und Recht behaupten, dass es nie eine Garantie gibt. Dann werdet Ihr mit ihm allein sein … für immer.«
»Wir sind Freunde.« Der Einspruch kam schnell, aber etwas flackerte im Blick der anderen Frau.
Zweifel? Vielleicht.
»Das ist angenehm, darin stimme ich mit Euch überein. Doch es wird kaum reichen.« Sie war nicht daran gewöhnt, über ihre Gefühle zu sprechen, erst recht nicht über etwas so Intimes wie das, was sie mit Nicholas verband. Dennoch wappnete Caroline sich, absolut ehrlich zu sein. Schließlich war sie uneingeladen aufgetaucht und nahm sich die Freiheit, etwas sehr Persönliches mit ihrer Gastgeberin zu besprechen. »Obwohl ich nie irgendwem die ganze Wahrheit über meine eigene Ehe erzählt habe, wäre ich bereit, bei Euch eine Ausnahme zu machen. Ich weiß, dass ich bedauerlicherweise nicht wusste, was mich erwartete, und das Ergebnis war ein Desaster. Unsere Voraussetzungen sind nicht dieselben, aber es gibt genug Gemeinsamkeiten, die Euch vielleicht helfen. Ganz unabhängig davon,
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