Eine unzüchtige Lady
diese schlimme Eskapade. Denn wie würde sie sich fühlen, wenn das hier vorbei war? Mal abgesehen von der Gelegenheit, die sich ihr bot?
Wie eine Dirne etwa, die sich den zwei berüchtigtsten Wüstlingen der Gesellschaft angedient hatte?
Vielleicht. Aber andererseits würde sie sich unter Umständen endlich wie eine Frau fühlen. Dann ergäbe sich durch ihr unangemessenes Verhalten zumindest eine Gegenleistung. Der Schritt, den sie zu machen bereit war, um ihr Leben zu verändern, war tatsächlich sehr drastisch, aber manchmal war so etwas notwendig.
Doch wie demütigend wäre es für sie, falls sie sich für den berüchtigten Duke of Rothay als Enttäuschung erweisen sollte.
Andererseits sagte sie sich, als das Gefährt zum Halt kam und sich ihr Magen zusammenzog, war es Teil der Wette zwischen ihm und dem Earl, dass sie ihre Fähigkeiten im Schlafzimmer unter Beweis stellten. Sie war es, die lediglich ihr Urteil fällen musste, wer von den beiden es am besten konnte.
Das klang für sie recht einfach.
Der kräftige Huw stand an der Tür der Kutsche bereit und reichte ihr eine Hand, um ihr herauszuhelfen. Sein breites Gesicht zeigte weder Neugier noch Tadel und war wieder so ausdruckslos wie an jenem Abend, als er sie zu dem schäbigen Gasthaus gefahren hatte. Insgeheim fragte sie sich, was er wohl von ihr dachte, wenn er erfuhr, dass der Anlass ihrer Reise ein Rendezvous war. Er arbeitete seit einigen Jahren für sie, und ihr Verhältnis von Diener und Herrin war sehr angenehm. So manches mochte sich nach ihrer leichtsinnigen Unternehmung ändern, nicht nur ihr Selbstbild als Frau. Sie fragte sich, wie viel sie sich aus der Meinung eines Untergebenen machen sollte. Die meisten
Mitglieder der höheren Gesellschaft würden ihr versichern, sie solle sich nicht darum sorgen, aber Caroline war nicht sicher, ob sie so blasiert sein könnte.
»Danke«, flüsterte sie und kletterte den Tritt hinunter. Sie hoffte, ihre Beklommenheit wäre nicht allzu offensichtlich.
»Es ist mir ein Vergnügen, Mylady.« Huw neigte den Kopf, seine Miene neutral.
Die Eingangstür öffnete sich, und der Duke höchstpersönlich trat heraus, als sie die eingelegten Ziegeltreppenstufen hinaufschritt. In der kurzen Nachricht, die er mit seinen Instruktionen geschickt hatte, erwähnte er auch, es gäbe nur wenig Personal in dem Haus, da er es selten nutzte. Aber sie hatte bestimmt nicht erwartet, dass jemand von seinem Rang den Lakaien spielte. Es überraschte sie, ihn zu sehen. Er war zudem sehr informell gekleidet und trug ein Hemd mit weiten Ärmeln, schwarze Reithose und polierte Lederstiefel. Es ließ ihn jünger wirken, aber irgendwie zugleich nicht weniger beeindruckend - eher mehr. Die lässige Kleidung unterstrich seine Körpergröße, die beeindruckende Breite seiner Schultern und die muskulöse Kraft seiner langen Beine. Sein unverkennbares dunkles Haar fiel glänzend herab und berührte seine Schultern, schimmerte in der spätnachmittäglichen Sonne und umspielte diese sündigen, herrlich männlichen Gesichtszüge. Sie erkannte, dass sie tatsächlich den Mann und nicht nur den wohlhabenden, gut aussehenden Aristokraten mit diesem atemberaubenden Lächeln und dem zwingenden Selbstbewusstsein sah. Die etwas weniger förmliche Kleidung signalisierte ihr zudem eine Intimität ihrer Bekanntschaft, die ihr das wahre Ausmaß ihrer Situation bewusst machte: Sie würde die kommende Woche in seinem Bett verbringen.
Ein leises Zittern ergriff von ihr Besitz, als er höflich die Hand nach ihrer ausstreckte und sich über sie beugte. Sein Mund streifte lediglich die Haut ihres Handrückens.
Er richtete sich auf und wisperte: »Willkommen, Mylady.«
»Guten Tag, Euer Gnaden.« Irgendwie gelang es Caroline, ihre Stimme ruhig zu halten, obwohl sich ihr Puls beschleunigte. Der Herzog ragte über ihr auf, und seine Schultern wirkten beängstigend breit.
Seine dunklen Augen betrachteten sie mit leichter Belustigung. »Ich hoffe, Ihr seid auf eine Woche vorbereitet, in der es sehr rustikal zugehen wird. Wie ich Euch bereits vorwarnte, gibt es hier nur wenig Personal. Meine Ankunft hat die Haushälterin gehörig in Aufregung versetzt. Kommt, lasst uns ins Haus gehen. Ich werde Tee bestellen, und dann können wir … uns miteinander vertraut machen.«
So schnell? Caroline war nicht sicher, was er mit dieser Bemerkung meinte, und ihre gewohnte Unsicherheit übernahm wieder die Führung. Sie nahm ihren ganzen Mut zusammen und murmelte in einem
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