Eine unzüchtige Lady
hypnotisierenden Augen und diesen fein gemeißelten Gesichtszügen ergäbe das gerade die richtige Mischung.
»Wie um alles in der Welt soll jemand entscheiden können, wer von den beiden besser aussieht?« Eine von Alfreds Cousinen kicherte. Ihr jugendliches Gesicht nahm eine sanfte Röte an. »Sie sind beide göttlich.«
»Still, Eugenia«, sagte ihre Mutter tadelnd.
»Wenn sie auch immer in dieser Brühe aus Skandalen und Skandälchen schwimmen!«, bemerkte die dünne Tante auf ihre zimperliche Art. Doch Annabel entdeckte ein böses, vergnügtes Funkeln in ihren Augen. »Ist es nicht erst ein paar Monate her, dass Lord Tanner gezwungen war, Manderville in dem Scheidungsprozess gegen seine Frau als Zeugen zu benennen, weil sie mit ihm Ehebruch beging?«
Es war genau vier Monate her, seit dieses widerliche Gerücht die Runde machte. Aber Annabel hatte zu diesem Thema nichts
zu sagen. Jedes Mal, wenn sie daran dachte, fühlte sie sich krank. Es war das Beste, wenn sie ihre Gefühle für den unmoralischen Earl für sich behielt, damit sie sich nicht bemüßigt fühlte, den Grund für ihre große Antipathie zu erläutern. Sie hätte es nicht gedacht, aber die öffentliche Anschuldigung, dass Derek bei der Auflösung einer Ehe eine nicht unwesentliche Rolle spielte, hatte ihn in ihrer Meinung noch weiter sinken lassen.
»Und jetzt dieser ungehörige Wettbewerb. Obwohl es geschmacklos ist, überhaupt darüber nachzudenken, muss man sich doch zumindest darüber wundern dürfen, wie sie ihren kleinen Streit beizulegen gedenken.« Die matronenhafte Ida war für jemanden, der dieses Gesprächsthema als absolut ungehörig betrachtete, überaus begierig, es zu diskutieren.
»Ich habe gehört, diese russische Schauspielerin, die die Ophelia trotz ihres schrecklichen Akzents so trefflich gegeben hat, wird den Gewinner küren.« Lady Henderson - die nun wirklich keinen Grund hatte, ihre ohnehin schon ausladende Taille weiter zu unterfüttern - griff beherzt eine weitere Süßigkeit vom Servierwagen.
»Tatsächlich? Nun, ich habe gehört …«
Annabel blendete die Konversation mit verzweifelter Konzentration aus. Ihre Bemühungen waren vergebens, und vermutlich machte sie auf die anderen Damen einen dumpfen und allzu ruhigen Eindruck, aber sie schaffte es, während das Gespräch um sie wogte, zu überlegen, welches Kleid sie später am Abend tragen wollte.
Insofern war der Nachmittag keine komplette Verschwendung.
Nachdem die endlose Teeverabredung schließlich vorbei war, war sie dankbar, als man ihr in die wartende Kutsche half. Schon bald würde sie verheiratet sein, und ihre Verbindung zu Derek Drake wäre ein für alle Male durchtrennt. Nun, nicht vollständig,
denn seine Tante und sein Onkel hatten eine hohe Meinung von ihm. Thomas und Margaret waren im Grunde ihre Eltern, aber zumindest würde sie nicht mehr allzu oft seine Gesellschaft ertragen müssen. Im Übrigen würde dann Alfred an ihrer Seite sein. Das würde ihr helfen.
Wobei helfen? Die stumme Frage ließ ihren Blick aus dem Fenster schweifen, als das Gefährt anrollte.
Es war am besten, nicht darüber nachzudenken.
Nicht an ihn zu denken.
Tenterden Manor war nicht gerade das, was Caroline ein kleines Anwesen auf dem Lande nennen würde, dachte sie mit einem nervösen Lächeln. Aber der Herzog behielt in einer Sache recht: Es lag abgeschieden.
Das Anwesen lag inmitten eines bewaldeten Parks, die sanften Farben der Steinfassade glänzten sanft in der spätnachmittäglichen Sonne. Der elisabethanische Einfluss in der Fassade zeigte sich deutlich in den weitgestreckten Gebäudeflügeln. Offensichtlich waren weitere Gebäudeteile im Laufe der Jahre hinzugekommen. Auch wenn der Herzog selten hier verweilte, waren die Rasenflächen säuberlich gestutzt und von sattem Grün, und der saubere Kies auf der Auffahrt führte in einem Schwung bis zur Eingangstür. Reihen strahlend sauberer Fenster mit Längsunterteilungen wurden von Efeu umrahmt und verliehen dem Haus trotz seiner Größe ein verzaubertes, beinahe märchenhaftes Aussehen. Alte Bäume streckten ihre Äste über die Rasenflächen aus und ließen das Sonnenlicht auf dem sauber gestutzten Gras tanzen.
Es war hübsch und sehr privat. Genau das, was sie für ihr kleines Zwischenspiel brauchten.
O Gott. Nervosität verschloss ihr die Kehle. Schlucken fiel ihr schwer.
Es ist noch nicht zu spät, ermahnte sie sich. Du kannst Huw bitten umzudrehen, dass er dich wieder nach London bringt. Vergiss
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