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Eine Urwaldgöttin darf nicht weinen

Eine Urwaldgöttin darf nicht weinen

Titel: Eine Urwaldgöttin darf nicht weinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Millionen kommen?«
    »Ich nähe die Risse, bevor es Nacht ist.«
    »Womit?«
    »Ich habe immer Nähzeug bei mir. Ich habe es wiedergefunden.« Sie zeigte mit dem Daumen auf den Rucksack und lächelte schwach. Nachdem der Panther ihr Kleid zerrissen hatte, trug sie jetzt eine viel zu lange und zu weite Hose, die einem der Mestizen gehört hatte. Sie hatte die Hosenbeine hochgerollt und dann die Rolle mit Bindfäden um ihre Knöchel festgebunden. Die Bluse hatte sie von Schwester Rudolpha genommen. Es war ein hochgeschlossenes, baumwollenes Klosterhemd. Sie hatte es in der Reisetasche gefunden, die Schwester Rudolpha beim Absturz an sich gepreßt hielt, als könne sie damit den Aufprall vermindern.
    »Hast du Hunger?« fragte sie.
    »Nein.« Peters studierte wieder die Karte. Wenn wir nach Norden ziehen statt nach Süden, dachte er, ist die Chance, auf Menschen zu treffen, günstiger. Aber der Weg ist höllischer. Dort liegen die Niederungen mit ihrem versumpften Dschungel, dort hängt der Tod in der Luft, und man saugt ihn mit jedem Atemzug ein, diesen Fieberhauch der Sümpfe, diese süßlich-schwere Verwesung des Dschungels.
    Sie schlugen sich wieder vier Stunden weiter durch den Urwald und fanden dann eine lichtere Stelle, an der sie beschlossen, über Nacht zu bleiben. Das Konzert der Affen war unerträglich, ihr Kreischen bohrte sich in die Knochen und zermürbte die Nerven.
    Gloria packte den kleineren Topf aus dem Rucksack und ein Stück gebratenes Pantherfleisch. Aus einem Plastikbeutel goß sie vorsichtig etwas Wasser in den Topf und suchte dann nach den getrockneten Orchideenblüten.
    »Das wird ein Problem«, sagte Peters. »Das Holz ist durch und durch naß. Ehe das brennt, sind wir Großeltern.«
    »Dazu müßten wir erst Kinder haben. Beeile dich!«
    Er sah sie an, dachte einen Augenblick völlig irrational an die Zukunft, an ein Haus, einen Garten, ein Auto, zwei blonde Kinder, einen fröhlichen Hund, ein kleines Schwimmbecken auf einer Wiese, wischte dann diese Illusion mit einer Handbewegung aus seinen Augen und machte sich auf die Suche nach ein paar trockenen Ästen, mit denen man die Grundlage für ein Feuer legen konnte.
    Er ging nicht weit weg von dem kleinen Rastplatz, vielleicht dreißig Schritte tiefer in das Unbekannte, als er plötzlich hinter einer Buschwand eine kreisrunde Lichtung fand und auf dem Boden einen Aschenhaufen.
    Menschen! durchzuckte es ihn. Wo ein Aschenhaufen ist, sind auch Menschen. Er stürzte auf die Lichtung, kniete an dem verloschenen Feuer nieder und schob die Hände in die Asche.
    Sie war kalt, und doch spürte er die seltsame Wärme, die der Boden unter einem Aschenhaufen speichert, diese Erinnerung an das Feuer, die größte Macht, die dem Menschen in die Hand gegeben wurde.
    Menschen!
    In dieser Urlandschaft Menschen!
    Peters sprang auf, nahm ein paar nicht verbrannte, nur angekohlte Holzreste mit und rannte zurück zum Lagerplatz.
    »Gloria!« schrie er dabei. »Gloria! Wir sind gerettet! Menschen sind hier! Menschen! Hörst du, Menschen! Wir sind gerettet! Gerettet!«
    Er durchbrach das Unterholz, schwenkte die angekohlten Holzstücke, als halte er Fahnen in der Hand, hüpfte übermütig über einen querliegenden, verfaulenden Baumstamm und sprang aus dem Halbdunkel des Waldes in das rote Abendlicht, das über ihrem Lagerplatz lag. »Gloria! Menschen!«
    Der Lagerplatz war leer. Der Topf mit dem Wasser stand einsam zwischen den niedergetrampelten Gräsern und Farnen, daneben lag das Stück Braten, unkenntlich durch das Heer von Mücken, das über das Fleisch hergefallen war. Alles war so, wie Peters es vor wenigen Minuten verlassen hatte, nur eines war anders: Gloria fehlte und mit ihr die beiden Rucksäcke.
    »Laß das Versteckspielen, Gloria«, rief Peters. »Komm raus, Mädchen. Sieh dir an, was ich hier habe. Angekohltes Holz. Ist das ein Beweis, was? Gestern waren noch Menschen hier, sie müssen noch in der Nähe sein. Gloria, nun komm aus dem Versteck!«
    Er trat auf den Platz, sah sich um und suchte sie. Sich hier zu verstecken war keine Kunst. Drei Schritte nach irgendeiner Seite, und der Urwald saugte einen auf. Es gab keine bessere Tarnkappe.
    »Ich finde dich nie, Gloria«, sagte Peters laut. »Du hast gewonnen. Sieh dir das an.« Er hob die verkohlten Holzstücke hoch. Aber die grüne Wand um ihn herum blieb still, nichts rührte sich, die Abendschatten fielen schnell herein, selbst die Affen schienen zum Schreien zu müde zu sein.
    »Gloria!« Peters

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