Eine Urwaldgöttin darf nicht weinen
mehr gab.
»Jetzt töte ich dich um des Tötens willen«, sagte Peters dumpf. »Gestern warst du eine Notwendigkeit. Heute ist es nur Mord! Mord!«
Er ließ das Beil hin und her pendeln, um den Panther zu irritieren. Die Augen des herrlichen Tieres folgten den Bewegungen, hin und her, wie Köpfe der Zuschauer bei einem Tennisspiel.
Der Panther sprang zuerst. Aus dem Stand stieß er sich ab und flog als langer schlanker, schwarzer Schatten durch die helle Morgensonne.
Peters holte weit aus, das Beil pfiff durch die dicke, heiße Luft.
In diesem Augenblick war Gloria neben ihm. Sie rammte die Lanze in den Boden, stemmte sich dagegen und richtete das gezackte Messer auf den heranfliegenden Körper. Mit vorgestreckten Tatzen, deren Krallen wie gebogene Dolche waren, die kalten, glühenden Augen weit aufgerissen, begriff das Tier noch im Flug, daß der neue Gegner sein Untergang war. Aber es war zu spät, die Richtung zu ändern, es gab nur das Vorwärts und den letzten, aufbrüllenden Mut.
Mit aller Wucht prallte der Panther auf die Lanze. Das Messer stieß tief in seine Brust, aber der Prankenhieb kam noch ans Ziel und streifte Glorias Schulter. Das Kleid zerfetzte. Sie stürzte nach hinten, überkugelte sich und kam so aus dem Bereich des schwarzen Körpers, der unter sich den Lanzenstab knickte wie ein Streichholz.
»Gloria!« brüllte Peters entsetzt. Aber der Schrei kam zu spät. Ein springender Panther ist schneller als der Befehl eines menschlichen Gehirns an die Stimme: Schrei jetzt!
Mit beiden Händen packte er das Beil und hieb auf den fauchenden Kopf, der plötzlich neben ihm auf dem Boden lag und sich zu ihm drehte und dessen Maul seinen heißen Atem über seine Beine blies.
Sein ganzes Körpergewicht legte Peters in diesen mörderischen Schlag, seinen ganzen Haß, die ungeheure menschliche Verzweiflung, die ihn über Nacht seelisch zertrümmert hatte. Der Hieb spaltete dem Panther den Kopf, bevor er zubeißen konnte. Die Pranken trommelten im Todeskampf in den Boden und rissen die Erde auf. Dann lag er still, und das Blut quoll aus dem Schädelspalt und verdunkelte seine grünen, schönen Augen –
Breitbeinig stand Peters über dem toten Tier. Gloria kroch heran. Vor dem Panther legte sie das Gesicht auf die Unterarme und begann zu schluchzen.
»Da liegt er –«, sagte Peters mit hohler Stimme. »Da liegt er endlich. Ein Zentner Fleisch …, zwölf Stunden zu spät.«
Er gab dem Tier einen Tritt und beugte sich über Gloria. »Bist du verletzt?«
»Nichts. Gar nichts.« Sie schüttelte den Kopf. »Er hat nur das Kleid erwischt. Nicht mal eine Schramme. Aber die Angst, Hellmut, die Angst …«
»Du bist die mutigste Frau der Welt.« Er hob sie auf und drückte sie an sich. Ihr Körper zitterte so heftig, daß sie kaum stehen konnte. »Wie du die Lanze hingehalten hast. Ohne dich hätte er mich erwischt.«
»Habe ich die Lanze hingehalten? Ich weiß es nicht. Ich weiß gar nichts mehr. Ich habe irgend etwas getan. Ich war so verzweifelt!« Sie klammerte sich an ihn, und er trug sie wie ein kleines, verletztes Kind zum Flugzeug zurück, legte sie in den Schatten des Flügelstumpfes und küßte sie, bis sie ruhiger wurde und die große Ermattung über sie kam.
Bis zum Mittag hatten sie den Panther zerlegt und brieten das Fleisch. Peters beseitigte die Reste ihrer schauerlichen Nachtarbeit und begrub die gesalzenen und gebratenen Stücke, als seien sie noch ein Mensch. Dann – als der tägliche Regen herunterrauschte – stellte er sich nackt in die himmlische Dusche und rieb seinen Körper mit Sand ein, als könne Sand und Regen alles von ihm abwaschen, was die Poren an Schrecklichem in sich aufgenommen hatten.
Gloria hatte begonnen zu packen. Was sie aus den Trümmern gerettet hatten, lag nebeneinander aufgereiht vor ihr. Zwei Koffer, die Sanitätskästen, die Werkzeuge, ein paar Rollen Bindfäden, die Polaroidkamera des Vermessungsingenieurs, zwei leere Säcke, in denen das Salz gewesen war, sieben lederne Hosengürtel, die sie den Toten abgezogen hatten, Hemden, Unterhosen, vier Rasierausrüstungen, zwölf Paar Schuhe, neun Decken, eine Zeltplane, ein Plastikservice mit Bestecken, ein Campingkorb – Überbleibsel einer Welt, die so fern war, daß sie schon keinen Namen mehr hatte.
Aus den Säcken machte Peters mit den Gürteln und Bindfäden zwei praktische Rucksäcke. »Eine Last auf dem Rücken trägt man länger als eine an den Händen!« hatte Gloria gesagt. Auch das war ein Satz aus
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