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Eine Urwaldgöttin darf nicht weinen

Eine Urwaldgöttin darf nicht weinen

Titel: Eine Urwaldgöttin darf nicht weinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Strömungsverhältnisse. Sie müssen doch wissen, mit welchen Sicherheiten wir die Dinger bauen müssen. Wir können es uns nämlich nicht leisten, in den Bach zu fallen. Was da an Raubfischen herumschwimmt, macht Sie sofort zum Skelett. Also, Herr Ingenieur: Konstruieren Sie mal ein paar schwimmende, sichere Inseln.«
    »Hier?« Peters blickte sich um.
    »Haben Sie was gegen den Bauplatz? Material liegt genug herum. Und vor allem: Es muß eine idiotisch einfache Konstruktion sein, die man in kürzester Zeit herstellen kann.«
    Peters zuckte zusammen. Hinter ihm ertönten Axtschläge. Die Yincas hatten bereits begonnen, mit Serras Werkzeugen die ersten Bäume zu fällen. Xinxaré kommandierte herum wie ein preußischer Feldwebel.
    »Das ist eine Kolonne«, sagte Serra voll Zynismus. »Wenn Sie so etwas am Bau hätten, was? Ich sage Ihnen, die arbeiten zwölf und vierzehn Stunden, ohne Zulage und Gewerkschaftsprotest.« Er setzte sich, holte eine Flasche mit Tee heraus und bot sie Peters an. »Da sieht man wieder, welche Kräfte die Lust am Krieg beim Menschen entfesselt. Hellmut, Sie werden es spätestens auf dem Fluß bereuen, daß wir die Kerle nicht während ihrer Besoffenheit umgebracht haben. Noch haben wir die Chance; ich kann noch drei Flaschen Gin verteilen. Mann, überlegen Sie: Jetzt sind wir am Fluß! Wir brauchen die Kerle nicht mehr!«
    Peters knirschte mit den Zähnen. Zum erstenmal spürte er – und es war ein schreckliches Gefühl –, wie er weich wurde und Töten als eine Notwendigkeit ansah. Das war so fürchterlich, daß er sich in die Faust biß und aufstöhnte.
    Ruhig, an einem Grashalm kauend, saß Serra daneben und wartete.

23
    Hellmut Peters wurde durch ein äußeres Ereignis einer Antwort enthoben. Über den blauen Himmel schoben sich plötzlich dunkle Wolken, und der tägliche große Regen rauschte auf sie hinunter. Sie flüchteten unter die schützenden Bäume und kauerten sich an den Stamm eines riesigen Baumes, dessen breites Blätterdach kaum einen Tropfen durchließ. Vor ihnen schäumte der Fluß, floß das Regenwasser in breiten Bächen über den Boden und saugte sich die Erde voll.
    Es regnete zwei Stunden. Zwei Stunden, in denen sie zur Untätigkeit verurteilt waren und sich mit ihren Gedanken allein beschäftigen konnten.
    Hinterher, als ebenso plötzlich wieder die Sonne durchbrach und der Dschungel zu dampfen begann, sagte Peters:
    »Nein, Antonio.«
    »Was heißt nein?«
    »Ich morde nicht. Das habe ich Ihnen schon einmal gesagt. Es muß auch anders gehen. Bleiben wir bei dem Plan, zuerst eine Insel zu bauen und mit ihr allein wegzuschwimmen. Xinxaré wird uns nicht auf einem Baumstamm nachreiten.«
    »Das nicht.« Serra sah hinüber zu den Indios, die unermüdlich kleine Bäume fällten und aus den Ästen kunstvolle Büsche flochten, die man auf die Flöße stecken wollte. Es sah dann so aus, als seien kleine Landstücke vom Fluß losgerissen worden und würden fortgeschwemmt. »Aber wir sitzen dann zwischen zwei Feuern! Wenn wir bei den Ximbús keinen Erfolg haben, gibt es auch keinen Rückweg mehr zu den Yincas. Wo wollen wir hin in diesem Mistwald? Verdammt, Sie haben mich da in eine Lage gebracht! Wer nicht töten kann, sollte nicht hierherkommen.«
    »Ich bin ja auch nicht freiwillig hier!« schrie Peters.
    »Brüllen Sie nicht so hysterisch!« Serra stand auf und reckte sich wie ein Tier. »Unsere Situation ist beschissen! Damit müssen wir uns abfinden. Los, fassen wir mit an. Die Indios haben eine andere Ansicht von Stabilität als wir. Ich möchte nicht mitten auf dem Fluß unter die Piranhas fallen. Unsere schwimmende Insel bauen wir uns selbst. Und außerdem müssen wir Xinxaré bei Stimmung halten.«
    »Mit Salz und Schnaps?«
    »Erraten!« Serra ging hinunter zum Fluß. Der mit Wasser vollgesogene Boden war weich, die Stiefel sanken darin bis zu den Knöcheln ein. Peters folgte ihm und blieb bei den Indios stehen, die die Büsche flochten.
    »Wie lange wird es dauern, bis unsere Insel fertig ist?« fragte er.
    »Bei diesem Arbeitstempo in vier Tagen.« Serra rief in der kehligen Sprache der Indios ein paar Worte und dirigierte einen Trupp zu den bereits entlaubten Stämmen. Aus dem Wald kamen einige Eingeborene zurück, schwer bepackt mit zusammengerollten Lianensträngen. Mit diesen Lianen sollten die Stämme untereinander festgebunden werden.
    »Ich würde dort, wo wir die Stämme festbinden, Einkerbungen machen«, sagte Peters.
    Serra starrte ihn entgeistert

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