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Eine Urwaldgöttin darf nicht weinen

Eine Urwaldgöttin darf nicht weinen

Titel: Eine Urwaldgöttin darf nicht weinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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sein. Du gehörst zu deinem Volk, Xéré. Wenn du wach bist, mach morgen früh die Augen zu.«
    Es war der gleiche Morgen, an dem auch Peters und Serra ihre schwimmende Insel in den Fluß stoßen wollten.

24
    An beiden Ufern, nur einige Kilometer voneinander entfernt, loderten in dieser Nacht hohe Feuer, und die Indios wurden besinnungslos in ihrem Rausch. Als letzter fiel Xinxaré um – er hatte geradezu unmenschlich gesoffen.
    »Der Kerl hat das Zeug zu einem hervorragenden Alkoholiker«, sagte Serra, als er, selbst leicht schwankend, das Feld der regungslosen Indios überblickte. Er starrte hinauf in den noch nächtlichen Himmel und nickte dann. »Noch zwei Stunden, Hellmut, dann kommt die Dämmerung. Fühlen Sie schon Regungen im Darm?«
    »Sie müssen mich für einen gewaltigen Feigling halten, nicht wahr?«
    »Das nicht. Aber Sie sind nicht für diese Welt hier geboren. Sie gehören hinter einen Schreibtisch. Jedem das Seine. Kommen Sie, jetzt können wir unsere Insel beladen.«
    Sie schleppten ihre Ausrüstung auf das Floß, vor allem das Wichtigste für ihr Unternehmen: die Dynamitstangen und die Raketen in dem wasserdichten Blechkasten.
    Dann warteten sie auf den Morgen, auf den Streifen Licht am Himmel, der für sie wie ein Startschuß war.
    In dieser Nacht blieben auch Gloria und Xéré nebeneinander sitzen, während die großen Feuer auf dem Dorfplatz erloschen, die Frauen in ihre Wohnnester kletterten und die berauschten Männer wie große, braune Käfer auf dem Rücken liegen blieben.
    Einmal in dieser Nacht brachte Xéré Gloria in einer Holzschale etwas zu trinken. Es war dem Geschmack nach einfaches Wasser, aber als sie es getrunken hatte, wurde sie müde und merkte zu spät, daß Xéré ihre einsame Abfahrt am frühen Morgen verhindern wollte.
    »Es hat doch keinen Zweck, Xéré«, stammelte sie und versuchte mit aller Kraft, wach zu bleiben. Sie stand auf, versuchte zu gehen und merkte, wie stark sie schwankte. Aber sie gab nicht auf. Sie ging weiter, erreichte den Fluß, das ans Ufer gezogene Floß und fiel erst dort wieder in sich zusammen. Sie rollte in den Sand und sah Xéré über sich stehen, mit traurigem Gesicht, Blasrohr und Pfeile in den Händen und bereit, sie eher zu töten, als sie weggehen zu lassen.
    »Nein, tu es nicht …«, sagte Gloria mit versagender Stimme. »Xéré, tu es nicht! Du kannst mich doch nicht töten –«
    Dann verschwamm alles vor ihr, Xéré löste sich in kleine Nebelstücke auf und verschwand.
    So kam der Morgen. Gloria lag am Ufer neben dem Floß und schlief, bewacht von Xéré.
    Peters und Serra kontrollierten noch einmal die betrunkenen Yincas, Serra trat Xinxaré in die Seite, aber der Häuptling grunzte nur und schlief weiter.
    »Wir können!« sagte Serra. »Ich nehme an, Sie glauben an Gott. Sagen Sie ihm, daß er jetzt für ein paar Stunden im Urwald bleiben soll. Wir brauchen ihn! Los mein Junge!«
    Sie rannten zum Fluß, wateten durch das seichte, knietiefe Wasser bis zu ihrer schwimmenden Insel und kletterten hinauf. Serra setzte sich hinten an das Steuer, Peters kroch nach vorn und löste das Lianenseil, mit dem das Floß an einen Baum gebunden war.
    Langsam trieb die Strömung sie weg. Serra lenkte in die Mitte des Flusses und winkte Peters zu, als dieser aus einem der eingepflanzten Büsche hervorsah.
    »Das Ding liegt hervorragend!« rief Serra. »Ich komme mir so sicher vor wie auf einem Sofa! Wenn wir keine Stromschnellen passieren müssen, wird's eine Vergnügungsfahrt. Ich möchte so gerne sehen, wie unser Ding vom Ufer aus aussieht.« Es sah gut aus, wie eine wirkliche, vom Land abgerissene Insel, dicht bewachsen, struppig, flach, ein Stück Erde, das sich selbständig gemacht hat.
    In der Mitte des Flusses wurde die Fahrt schneller, aber da es hell genug war, gelang es Serra, die ersten Sandbänke zu umschiffen und das Floß immer im tiefen Wasser zu halten. Sie kamen an Krokodilherden vorbei, stießen einmal mit einem alten, gehörnten Reptil zusammen, und Serra fluchte und spuckte der Bestie nach, als sie sich träge zu einer Sandbank hin bewegte.
    »Wie schnell sind wir?« rief Serra Peters zu.
    »Keine Ahnung! Aber wir machen gute Fahrt.«
    »Wenn das so weitergeht, sind wir schneller bei den Ximbús, als wir wollen! Wir müssen nachts bei ihnen landen! Am Tag wirkt unser Feuerzauber nicht. Wann – nach Ihren Berechnungen – sind wir bei den Kerlen?«
    »Bei glatter Fahrt gegen Nachmittag.« Peters beobachtete den Fluß. Wie kann

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