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Eine Urwaldgöttin darf nicht weinen

Eine Urwaldgöttin darf nicht weinen

Titel: Eine Urwaldgöttin darf nicht weinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Körper. Er dachte sogar weiter, an die Zeit, irgendwo auf der Welt, vielleicht sogar in Deutschland, an ein kleines Haus mit einem Garten und an Kinder, die alle die blonden Haare von Gloria hatten.
    Serra weckte ihn.
    Es war später Nachmittag. Die Yincas arbeiteten noch immer, nackt, mit schweißglänzenden Körpern, als gäbe es für sie keine Müdigkeit und Erschöpfung.
    »Ich habe tatsächlich geschlafen«, sagte Peters. »Ihr Schnarchen hat mich angesteckt, Antonio. Warum haben Sie mich nicht eher geweckt?«
    »Wenn Sie schlafen, sind Sie ein verträglicher Mensch! Wir haben unterdessen doch ein Steuerruder konstruiert und montiert, und ich glaube, damit können wir ganz gut manövrieren.« Serra lachte und klopfte sich auf den Bauch. »In zwei Stunden beginnt das große Saufen! Und beim Morgengrauen schwimmen wir! Dann gibt es kein Zurück mehr.«
    »Und ihre Diamantenschätze, auf die Sie gestoßen sind?«
    »Die hole ich mir beim zweiten Anlauf.« Serra lächelte breit. »Mit Bomben und Granaten! Es ist genug da, daß ich sie mit einem ganzen Trupp teilen kann.«
    »Das bedeutet, daß ihr die Indios ausrotten wollt, um an ihre Schätze zu kommen?«
    »Das ist das Schicksal der Schwachen!« Serra hob die Schultern. »Wollen Sie jetzt eine Weile weinen, Senhor?«
    »Ich weiß, wie ihr die Indios systematisch ausrottet.« Peters erhob sich und klopfte die Asche von seiner Kleidung, die vom Feuer herübergeweht war. »Hoffentlich gelingt es Ihnen nie, wieder nach hier zurückzufinden.«
    »Das nennt man Dankbarkeit. Ich helfe Ihnen, Gloria zu befreien, und Sie wünschen mir die Armut an den Hals!«
    »Verdammt! Sie haben nur Vernichtung im Kopf!«
    »Etwas anderes gibt es hier auch nicht. Hier liegen ungenutzte Millionenschätze, bewacht von Kopfjägern.«
    »Na und …?«
    »So dämlich kann nur ein Gefühlsdusel reden!«
    »Es gibt nie eine Entschuldigung dafür, Menschen zu töten!«
    »Nicht für Sie! Für mich immer! Mann, warum reden wir noch miteinander? Nach Glorias Befreiung trennen sich unsere Wege für immer. Es muß Schafe und Wölfe geben. Ich bin ein Wolf. Und ich jage und beiße auch wie ein Wolf.«
    »Eines verspreche ich Ihnen –« Peters sah Serra lange an, bevor er weitersprach. »Ich bin Ihnen bis zum Lebensende dankbar, wenn wir Gloria herausholen. Aber ich werde die Regierung verständigen, daß Sie vorhaben, diese Indios hier wegen verborgener Schätze auszurotten.«
    »Tun Sie das!« Serra lachte laut. »Am nächsten Tag werden Regierungshubschrauber über diesem Gebiet kreisen und Fallschirmjäger abspringen, um vor mir da zu sein! Und sie werden gründlicher als ich arbeiten! Hellmut, vergessen Sie alles, was Sie gehört haben. Denken Sie nur an Ihre zauberhafte Gloria! Und denken Sie daran: Im Morgengrauen schwimmen wir los.«
    Auch bei den Ximbús war fleißig gearbeitet worden. Die Kriegsboote waren hergerichtet, ein ganzer Haufen vergifteter Pfeile lag am Ufer. Aber der rätselhafte Tod des Medizinmannes lähmte die allgemeine Freude am Krieg.
    Was wollten die Götter damit sagen? War es zu früh für einen Kampf gegen die Yincas?
    Man beobachtete die weiße Göttin. Sie baute zusammen mit Xéré ein großes Floß, und das konnte nur bedeuten, daß sie, die Beherrscherin der Sonne, den Krieg segnete.
    Noch einmal wurden alle Feuer entfacht, begann der wilde, rhythmische Trommelschlag, tanzten die Männer bis zur Verzückung.
    An dem Abend dieser letzten Orgie beendeten Gloria und Xéré die Arbeit an dem Floß. Es war eine einfache Konstruktion, von der Serra gesagt hätte, es wäre glatter Selbstmord, damit über den Fluß zu fahren. Aber für Gloria war es ein kleines Stück Freiheit, war es die einzige Chance, jemals aus dem Urwald herauszukommen.
    Auch Xéré schien das zu begreifen. Er stand lange sinnend vor dem fertigen Floß und rang mit sich. Sollte er wirklich sein Volk verlassen? Was erwartete ihn in dem Land, in dem die Weißen wohnten? War es jemals möglich, die weiße Frau zu lieben?
    Er wandte sich ab, ging weg von dem Dorfplatz, auf dem sich die nackten, schwitzenden Körper wälzten, und setzte sich allein zwischen die Büsche wie ein sterbender Hund, der sich verkriecht. Hier fand ihn Gloria.
    Sie setzte sich neben ihn, und Xéré lehnte den Kopf an ihre Schulter und schloß die Augen.
    »Ich weiß, es ist schwer«, sagte sie, obgleich er sie nicht verstand. »Vielleicht ist es besser, du bleibst hier. Ich werde morgen früh, wenn alles schläft, verschwunden

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