Eine verboten schoene Frau
die Karriereleiter bei Waverlys aufzusteigen, liebte und schätzte er die Kunstwerke, mit denen er zu tun hatte, wirklich. Seine Wertschätzung zeigte sich in jedem seiner Worte. Und in seiner Leidenschaft für die Kunst in Kombination mit seinem untrüglichen Geschäftssinn ähnelte er ihrem Vater.
Und im Gegensatz zu ihren sonstigen Begleitern trank er nur ein Glas Wein zum Essen und nötigte sie keinesfalls zum Weitertrinken. Seine Aufmerksamkeit überraschte sie. Nach den Anrufen über die letzten Monate und seinen Mails hatte sie ihn als aufdringlich und hartnäckig eingeschätzt. Doch heute Abend war er nichts von dem gewesen.
Als Marcus beim Kellner die Rechnung erbat, ertappte sie sich bei dem Wunsch, ihn unter anderen Umständen kennengelernt zu haben. Umstände, bei denen es nicht um den Erwerb der Cullen-Sammlung ging. Kaum war ihr dieser Gedanke durch den Kopf gegangen, erkannte sie, dass sie sich hatte von der Atmosphäre des Abends einlullen lassen, bis sie meinte, das hier könnte zu mehr führen. Streng rief sie sich zur Ordnung. Die Marcus Prices dieser Welt verfolgten immer ein Ziel. Sie war für ihn nur ein Mittel zum Zweck. Darüber machte sie sich keine Illusionen.
Der Kellner legte die Lederhülle mit der Rechnung diskret auf den Tisch zwischen ihnen, und aus reiner Gewohnheit streckte sie die Hand danach aus. Sogleich spürte sie Marcus’ Hand auf ihrer.
„Was machen Sie da?“ Sein Gesicht zeigte eine Mischung aus Verwirrung und verletztem männlichem Stolz.
„Wonach sieht es denn aus? Ich übernehme natürlich die Rechnung.“
„Nein, das tun Sie nicht.“ Mit einer entschiedenen Geste schob er ihre Hand beiseite. „Ich kann nicht fassen, dass Sie wirklich glauben, ich lade Sie zum Essen ein und würde dann erwarten, Sie würden zahlen.“
„Wir können gern die Rechnung teilen. Ich habe den Abend sehr genossen.“
„Avery, ich habe Sie gebeten, mein Gast zu sein. Selbst wenn ich das nicht getan hätte, würde ich keineswegs erwarten, dass Sie zahlen.“ Er steckte seine Kreditkarte in die Lederhülle und nickte dem zurückgekehrten Kellner zu.
„Natürlich.“ Sie nickte. „Das sind ja Spesen für Sie.“
Dieses Mal stand ihm die Verärgerung deutlich ins Gesicht geschrieben. „Das denken Sie also?“
„Liege ich etwa falsch?“
Er schaute keine Sekunde lang weg. „Zu Anfang mag es das gewesen sein“, gab er zu.
Hoffnung flammte in Avery auf. Zu Anfang? Wo standen sie dann jetzt? Fühlte er sich so zu ihr hingezogen wie sie sich zu ihm? Der Kellner kam zurück und verhinderte, dass Marcus noch mehr sagte. Er unterschrieb die Rechnung und gab dem Kellner noch etwas Trinkgeld.
„Kommen Sie.“ Er stand auf. „Ich glaube, wir sollten jetzt gehen.“
Sie hatte ihn gekränkt. Zwar legte er ihr die Hand leicht auf den Rücken, als sie das Restaurant verließen und draußen auf den Wagen warteten, aber er sagte nichts. Auch die Fahrt zurück verlief schweigend.
Als er vor ihrem Haus hielt, löste sie ihren Gurt und wandte sich Marcus zu. „Es tut mir leid. Wirklich, ich wollte Sie keineswegs beleidigen.“
Er blickte sie an, und sie konnte den exakten Moment bestimmen, in dem seine Verärgerung ihn verließ. Er berührte sacht ihre Wange und ließ sie mit dem Verlangen nach mehr, nach ihm, zurück.
„Nein, es war mein Fehler“, sagte er. „Sie hatten recht. Ich hatte Hintergedanken bei meiner Einladung. Ich habe einfach nicht erwartet, dass sich das zu etwas anderem entwickeln würde. Das ist alles.“
„Zu … etwas anderem?“
„Ja.“ Er beugte sich zu ihr. „Zu dem hier.“
Seine Hand glitt zu ihrem Nacken, und dann berührten seine Lippen sanft ihren Mund. Sein Kuss war zart und fast schon vorüber, bevor er begann, aber er ließ sie atemlos und voller Verlangen zurück.
„Ich will dich wiedersehen, Avery.“ Er lehnte seine Stirn gegen ihre, und seine warme Hand ruhte immer noch auf ihrem Nacken und massierte ihre empfindsame Haut.
Alles in ihr schrie Ja ! Aber ihre Vorsicht riet ihr zu einem Nein. Sie dachte darüber nach, wie Marcus beim Essen gewesen war. Unterhaltsam, aufmerksam, sogar liebenswürdig. Aufdringlich? Nein. Nicht einmal wegen der Gemälde hatte er sie bedrängt. Vielleicht war er anders als die anderen. Vielleicht wollte er wirklich sie . Hoffentlich so sehr, wie sie ihn wollte – wie sie ihn vom ersten Moment an gewollt hatte. Es gab nur einen Weg, das herauszufinden. Doch hatte sie den Mut, dieses Wagnis einzugehen?
Zitternd
Weitere Kostenlose Bücher