Eine verboten schoene Frau
Aber das war ja auch nicht jedermanns Sache.
Avery stellte ihre Staffelei auf und machte sich an die Arbeit. Sie begann zu malen und summte leise vor sich hin.
„Sie klingen glücklich“, sagte plötzlich eine tiefe Männerstimme aus dem Gebüsch. „Das ist immer schön anzuhören.“
Ihr neuester Angestellter richtete sich zu seiner vollen Größe auf. Ein Blick aus erstaunlich blauen Augen traf sie unter der Krempe eines schäbigen Hutes hervor, den vermutlich der Zoll hätte einziehen sollen. Der Gärtner war bestimmt um die sechzig und hatte den Körperbau eines Mannes, der harte, körperliche Arbeit gewöhnt war.
Er wischte sich die Hände an den abgetragenen Jeans ab und hob den Hut zum Gruß. „Guten Morgen, Miss Cullen. Wunderschöner Tag, nicht wahr?“
„Ihnen auch einen guten Morgen, Mr Wells. Scheint, als wären Sie schon ein gutes Stück vorangekommen.“
„Bitte, nennen Sie mich Ted.“ Sein Lächeln erinnerte sie an das der Filmstars aus den Fünfzigern. Strahlend, attraktiv und mit dieser verführerischen Sorglosigkeit gemischt. „Macht Ihre Arbeit Sie immer so glücklich?“ Er wippte auf den Fersen vor und zurück.
Es ging ihn zwar im Grunde nichts an, aber aus irgendeinem Grund spürte sie das Bedürfnis, sich ihm anzuvertrauen. Sie hatte ja sonst niemanden. Und Macy wollte sie sich bestimmt nicht aufdrängen. Die hatte genug mit der Planung ihrer Hochzeit zu tun – und mit der Eröffnung ihrer Schauspielschule. Nein, Macy sollte sich nicht auch noch Gedanken darüber machen müssen, ob sich zwischen Avery und Marcus etwas entwickelte oder nicht. Und ihr neuer Gärtner schien ihr jemand zu sein, der Vertrauliches für sich behalten konnte.
„Ich habe jemanden kennengelernt.“ Sie spürte die Hitze in ihren Wangen. „Und ich weiß nicht, ob daraus etwas werden wird.“
„Und, was ist er für einer? Vertrauen Sie ihm?“
Sie zuckte mit den Schultern. „Gute Frage. Ich kenne ihn kaum. Bislang kann ich nur sagen, dass er hartnäckig ist.“
„Das kann etwas Gutes sein.“
„Und etwas Schlechtes. Er will mich zum Verkauf der Kunstsammlung meines Vaters überreden und mein Nein einfach nicht akzeptieren.“
Ted schob seinen Hut zurück. „Sie haben die Sammlung hier?“
„Nein, sie ist noch in L. A.“
„Und gibt es einen speziellen Grund, warum Sie nicht verkaufen wollen? Fürchten Sie, er würde seinen Job nicht gut machen?“
Avery presste die Lippen zusammen. Warum glaubte eigentlich jeder, sie sollte die Sammlung einfach so loslassen? Verstand denn niemand, was sie ihrem Vater bedeutet hatte?
„Er arbeitet bei Waverlys. Ich habe keinerlei Zweifel an deren Professionalität, aber meine Gründe, nicht zu verkaufen, sind persönlich.“ Sie bemühte sich gar nicht erst, ihren Ärger zu verbergen.
Ted Wells ließ ein schiefes Lächeln aufblitzen. „Persönlich ist gut genug. Ich habe von Waverlys gehört, sie scheinen wirklich zu wissen, was sie tun. Wenn dieser Typ für die arbeitet, sollten Sie ihn vielleicht bitten, Ihnen bei der Suche nach dieser Statue zu helfen. Mit seinen Kontakten kann er vermutlich mehr herausfinden als Sie. Und wenn er bereit ist zu helfen, zeigt das auch, ob er einen ehrlichen Charakter hat.“
So altmodisch er sich ausdrückte, könnte Ted doch auch richtig liegen. Plötzlich bedauerte sie, dass sie gerade eben noch ihren Ärger gezeigt hatte.
„Tut mir leid, wenn ich unhöflich geklungen habe.“
„Kein Problem. Sie wollen sich nicht von der Sammlung trennen, das ist verständlich.“
„Manchmal kommt es mir so vor, als wäre mir das alles, was mir von meinem Vater geblieben ist. Er hat diese Bilder so geliebt.“
Mitgefühl stand in den Augen des Gärtners. „Und Sie glauben, er hat Sie weniger geliebt?“
Sicher, manchmal hatte sie sich ungeliebt gefühlt. Aber welches Kind tat das nicht in der ein oder anderen Phase seines Lebens? Vielleicht hatte ihr Vater es ihr nicht immer so gezeigt, wie sie es sich gewünscht hätte, ja, er war distanziert gewesen, aber eben auch ihr Vater. Tief in sich wusste sie, dass er sie geliebt hatte.
Ted bückte sich und entfernte Unkraut aus einer Blumenrabatte. „Bilder sind nur Gegenstände. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass die Liebe Ihres Vaters mehr war als das. Ich habe nie das Glück gehabt, Vater zu werden. Aber für den Fall hätte ich doch immer gehofft, dass meine Kinder wüssten, was auch immer geschehen würde, meine Liebe zu ihnen wäre etwas, was für immer in ihren
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