Eine verboten schoene Frau
Herzen und Gedanken bewahrt bliebe. So ist das mit der Liebe, nicht wahr?“
In Teds Worten steckte mehr als ein Körnchen Wahrheit. „Sie meinen also, ich sollte mich von der Sammlung trennen?“
Ted zuckte mit den Schultern und griff nach der Schere an seinem Gürtel. Er ließ sich mit der Antwort Zeit und beschnitt die welken Stängel einer Hortensie. „Das steht mir nicht zu. Von dem, was Sie mir erzählt haben, würde ich mal schließen, dass Ihr Vater unglücklich wäre, wenn die Bilder nicht von Leuten betrachtet werden könnten, die sie zu schätzen wissen. So, wie er es getan hat.“
Etwas Tröstendes lag in seiner bedächtigen Art zu sprechen. Avery fühlte sich, als wäre er schon immer da gewesen. Sie seufzte. „Vermutlich haben Sie recht. Aber ich weiß einfach nicht, ob ich schon dazu bereit bin.“
Ted nickte. „Sie werden es merken, wenn die Zeit reif ist. Waverlys hat einen verdammt guten Ruf. Wenn Sie sich also zum Verkauf entschließen, wird die Sammlung in den richtigen Händen sein. In der Zwischenzeit bringen Sie erst einmal Ihren jungen Mann dazu, diese Engelsstatue für Sie zu finden.“
„Er ist nicht mein junger Mann“, protestierte sie. Zumindest noch nicht, flüsterte ihr eine kleine Stimme zu. „Aber ich werde über Ihren Vorschlag nachdenken. Danke.“
„Jederzeit.“ Er lud das Unkraut und die welken Stängel in eine Schubkarre. „Wenn Sie mich brauchen, ich arbeite die nächsten Stunden im Vorgarten.“
Als er gegangen war, betrachtete Avery kritisch ihr Bild. Marcus hatte die Fehler daran absolut richtig erkannt. Mal ganz abgesehen von seiner Beobachtung, dass sie nicht mit dem Herzen dabei war. Sie blickte zu der Stelle des Gartens, wo einst die Engelsstatue gestanden hatte und sah sie so deutlich vor sich, als wäre sie nicht seit neunzehn Jahren verschwunden. Die weiche, fast schon hautfarbene Tönung des Marmors, der grazile Schwung der Engelsflügel, die Art, wie er die Arme nach oben ausgestreckt hatte, als wollte er etwas Unsichtbares vom Himmel holen.
Sie griff nach ihrer Palette und begann die Farben zu mischen. Zeit verlor jede Bedeutung, als sie zu malen begann, und dem Garten wieder hinzufügte, was nie hätte verschwinden dürfen. Ganz am Rande nahm sie wahr, wie Mrs Jackson verkündete, ihr Frühstück stünde jetzt auf der Terrasse bereit, aber sie blieb in ihrer Arbeit an dem Bild versunken.
Marcus folgte dem Weg am Haus vorbei in den Garten. Laut der Haushälterin war Avery dort und hatte seit dem Morgen an ihrem Bild gearbeitet. Nicht mal gegessen habe sie, hatte Mrs Jackson sich beschwert – und er hatte eine Verbündete in ihr gewonnen, als er ihr versprach, dafür zu sorgen, dass Avery bestimmt zum Mittagessen hereinkäme.
Der Garten machte ihm die Jahreszeiten und die Vergänglichkeit bewusst, mehr als sein geschäftiges Leben in New York das zuließ. Manche der Pflanzen hatten das Ende ihres Zyklus erreicht, während andere das ganze Jahr über grün blieben.
Solch philosophischen Gedanken gab er sich sonst nicht hin, und sie erinnerten ihn daran, dass nichts für immer gleich blieb. Wenn man das Leben nach den Jahreszeiten einteilte, dann wäre sein Großvater jetzt in seinem Herbst. Und das bedeutete, dass Marcus nicht mehr viel Zeit hatte, ihm die Lovely Woman wiederzubeschaffen.
Was er Avery gestern gesagt hatte, entsprach der Wahrheit. Er hatte den Abend mit einer bestimmten Absicht begonnen und diese aus den Augen verloren, als er gemerkt hatte, wie sehr er ihre Gesellschaft genoss. Aber er konnte es sich nicht leisten, sich weiterhin so ablenken zu lassen.
Avery trat einen Schritt von ihrem Bild zurück und betrachtete es kritisch, während er sich näherte. Sie bemerkte ihn nicht, so vertieft war sie in ihre Arbeit. Er erkannte das Bild und sah ihr Talent in den Fortschritten, die sie damit gemacht hatte.
„Das sieht fantastisch aus“, sagte er und blieb neben ihr stehen.
Ein glückliches Lächeln erschien auf ihrem Gesicht. „Jetzt fühlt es sich richtig an. Danke für deine Vorschläge von gestern.“
„An den hier kann ich mich gar nicht erinnern.“ Er deutete auf eine Engelsstatue, die jetzt den Mittelpunkt des Bildes bildete. „Auch wenn sie nicht hier im Garten steht, so scheint sie doch genau dort hinzugehören.“
Sie seufzte. „Das ist genau der Punkt. Sie gehört hierher.“
Sie blickte so wehmütig drein, dass sein Beschützerinstinkt sofort wieder geweckt wurde. „Und warum macht dich das so
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