Eine verlaessliche Frau
Luft im Badezimmer wie in einem türkischen Bad, voller duftendem Dampf. Er würde vor ihr stehen und nicht daran denken, wie stark und kompakt sein Körper einst gewesen war. Er würde nicht daran denken, wie er sich mit Huren verausgabt hatte.
Sie hatten immer vor Staunen nach Luft geschnappt, wenn sie ihn nackt sahen. Ãber die Stärke und Anmut seines Körpers, eine Stärke und Anmut, die sogar er selbst sehen konnte, wenn er sich in einem groÃen Spiegel nackt musterte. Sie kicherten dann vor Freude und sagten etwas auf Italienisch, das er nicht verstand. Das war sehr lange her.
Er sah Catherine an. Er stellte sie sich im Bett vor. In seinem Bett.
Er wollte ihr Gesicht halten, bis sie schlieÃlich den Blick hob, um ihn anzusehen. Er wollte ihr in die Augen schauen und wissen, wer sie war, wer sie wirklich war, tief in ihrem verborgenen Inneren. Er wollte sie küssen und dabei ihre Wangen zwischen seinen Händen halten. Er wollte, dass sie seinen Kuss mit ihrer gierigen Zunge erwiderte. Er wollte den Augenblick spüren, in dem ihre Hand unter sein Baumwollhemd fuhr und zum ersten Mal seine Brusthaare berührte, die Haut seines Körpers. Er wollte, dass sie all dies auch wollte, und er wollte, dass sie sich zugleich davor fürchtete, aber er wollte, dass sie sich trotzdem hingab.
Manchmal brannte seine Einsamkeit wie Feuer unter seiner Haut. Manchmal hatte er schon daran gedacht, seinen Rasierer zu packen und sich sein eigenes Fleisch aufzuschneiden, die Haut abzuschälen, die nicht aufhören wollte zu brennen.
Aber er wusste, das würde nicht geschehen, ihm nicht widerfahren, niemals.
»Es gibt da etwas, das ich mir wünsche.« Sie starrte ins Feuer. Es war der erste, der einzige Wunsch, den sie äuÃerte.
»Natürlich.«
»Ich möchte ein Hochzeitskleid. Ich möchte mir aus Chicago etwas Stoff schicken lassen und mir ein Hochzeitskleid nähen. Das ist so ein Mädchentraum. Und ich möchte einen Ring. Nichts GroÃes oder Teures. Mein Vater hat zu mir gesagt, ich würde nie einen tragen, und aus genau dem Grunde möchte ich einen. Nicht um ihn zu ärgern, aber um mir selbst zu sagen, dass die eigenen kleinen Träume doch manchmal wahr werden, ganz gleich, was die Leute einem erzählen.«
»Ich besorge Ihnen, was Sie möchten. Ich habe es Ihnen doch gesagt.«
»Machen Sie sich keine Sorgen. Ich erwarte nicht viel. Wir haben ein Arrangement, ja? Keine kindische Leidenschaft. Wir haben beide unsere Gründe.« Und dann lächelte sie ihn an, das erste Mal, dass er sie lächeln sah. Ihr Lächeln erweckte in ihm eine Sehnsucht nach etwas, eine Sehnsucht nach der Vergangenheit vielleicht, die ihn beinahe zu Tränen rührte.
»Grau, dachte ich. Seide, falls ⦠ich könnte es weiter tragen. Nach der Hochzeit. Oder ich könnte es eines Tages meiner Tochter geben, sollten wir Kinder haben.«
»Bestellen Sie, was Sie möchten. Schreiben Sie alles auf, und ich telegrafiere gleich morgen wegen der Sachen.«
Er stellte sich vor, wie sie in diesem Haus in einem Hochzeitskleid stand, das sie selbst genäht hatte. Er dachte an die Todsünden, die in seinem Blut zirkulierten. Er dachte, seine Begierde wäre verrottet. Er dachte, seine Begierden würden sie töten. Ja, dachte er, sie würden ein Kind haben, und es würde sich wiederum als ein Monstrum entpuppen.
Er hätte nicht daran gedacht, jene Frau zu begehren, deren Photographie, zusammen mit dem Brief, den Catherine vielleicht geschrieben oder vielleicht auch nicht geschrieben hatte, in seiner Schublade lag. Dagegen begehrte er die Frau, an der er jeden Tag im Flur vorbeiging, die ihm beim Abendessen gegenübersaÃ, die ihr Essen mit so viel Feinheit und Zauber verzehrte, wobei ihre kleinen Zähne funkelten, und die es niemals versäumte, Mrs. Larsen nach einer Sauce oder einer Zutat zu fragen, die er nicht einmal herausschmeckte.
Er wollte, dass ihre Zähne ihn bissen. Dass sie Spuren auf seinem Rücken und an seinen Beinen hinterlieÃen. Er wollte, dass ihre Haare ihn strangulierten. Er wollte, dass sie ihm sagte, dass seine Berührung sie nicht umbringen würde.
Er wollte sie aufschlitzen und im warmen Blut ihres Körpers liegen.
Er rührte keinen Alkohol an. Er rauchte nicht. Er fuhr nicht, wie viele andere es getan hätten, nach Chicago, um Sex mit Frauen zu haben, die er nicht kannte. Seit langem
Weitere Kostenlose Bücher