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Eine verlaessliche Frau

Titel: Eine verlaessliche Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Goolrick
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einem Fenster im ersten Stock, wie sie auf der Straße, die vom Haus wegführte, spazieren ging und mit einem Stock im schmutzigen Schnee herumstocherte, manchmal wütend, manchmal mit der verzweifelten Hoffnungslosigkeit eines Kindes.
    Â»Was machen Sie denn? Wenn Sie draußen spazieren gehen?«
    Â»Ich schaue bloß.«
    Â»Haben Sie etwas verloren?«
    Â»Das spielt keine Rolle. Ich schaue bloß.«
    Wer war sie? Worüber dachte sie den ganzen Tag nach, während er im Büro war, in seinem dunklen Büro in der Eisengießerei, und seine Güter im ganzen Land herumschob, tief in der Erde graben ließ, um ihre Reichtümer ans Tageslicht zu zerren? Wohin ging sie, wenn sie sich nach dem Mittagessen vom Haus entfernte? Denn das tat sie, wie er von Mrs. Larsen wusste.
    Er wollte sie berühren, ihr die Kleider zerreißen, und er tat es doch nicht. Stattdessen besorgte er ihr alle möglichen Dinge. Er bestellte Treibhausrosen in Chicago, und es kamen blutrote Rosen in Vasen, Rosen, die alte Namen trugen, benannt nach französischen Dichtern und englischen Herzögen. Die Rosen, die gezwungen waren, hinter Glas Blüten zu treiben, rochen nach nichts.
    Er bestellte Schokolade. Er bestellte Marzipan in Form von Tieren und Blumen, Süßigkeiten, denen sie nichts abgewinnen konnte und die Mrs. Larsen heimlich ihrem naschsüchtigen Ehemann zusteckte, bis sie weg waren. Er bestellte Hauben, die sie nirgendwo tragen konnte. Er bestellte Spieldosen und funkelnde Ohrgehänge, die sie nicht trug. Er bestellte Romane, und sie las über die Abenteuer von Lebemännern, die halb so alt waren wie er, las von der Verzweiflung englischer Mädchen, die durchs Moor wanderten und ihre toten Liebhaber suchten. Er besorgte ihr einen winzig kleinen Vogel, der sie in den Schlaf sang und dem sie erlaubte, in ihrem Zimmer frei umherzuflattern, in dem Zimmer, in dem er als Junge geschlafen hatte.
    Er erlaubte ihr nicht, sein Grundstück zu verlassen. In die Stadt war sie noch nie gekommen. Und so gab er ihr stattdessen lauter schönes Spielzeug.
    Er besaß einen Sinn für das Luxuriöse und Kostbare, den er lange unterdrückt hatte, und er wusste, wie man einen Wein oder eine Brosche oder einen Ballen Seide auswählt. Diese Dinge waren wie eine Erinnerung in sein Fleisch eingebrannt. Das Erstklassige. Das Berauschende. Jeden Tag kam er nach Hause und hatte etwas für sie in der Hand, kleine, teure Geschenke, die sie schüchtern und leicht überrascht annahm. Er wusste, dass sie sie nirgendwo tragen und nirgendwo hinstellen konnte.
    Diese Dinge, die Bänder und das ganze Brimborium, waren seine Art, sie zu berühren. Diese Dinge, die nicht in Mode waren, die unerreichbar, für ganz wenige reserviert waren, für die Reichen und Dekadenten, wanderten jeden Tag von seiner Hand in ihre. »Oh«, sagte sie und holte tief Luft. »Oh, Mr. Truitt, wie wunderschön.«
    Er konnte spüren, wie die Einfachheit seines Lebens allmählich dahinschwand, wie bei einem Alkoholiker, der lange trocken war und im nächsten Augenblick wieder seinen ersten Schluck Brandy nehmen wird.
    Die Liebe macht die Menschen verrückt. Er sah das jeden Tag. Jede Woche las er davon in der Zeitung. Jede Woche waren die Zeitungen voll von Scheunenbränden, Arsenvergiftungen, Babys, die in Brunnen ertränkt worden waren, damit ihre Namen ein Geheimnis blieben und um ihre Väter von ihnen fernzuhalten, damit sie nicht den Wahnsinn der Liebe kennen lernten. Damit sie in die Heiligkeit Gottes eingingen. Er las Catherine abends diese Geschichten laut vor, nach dem Essen, und sie dachte sich Geschichten über die traurigen Frauen und die gestörten Männer aus. Sie sagte ihre Namen wieder und wieder, bis selbst ihre Namen einen Anklang von Verstörtheit annahmen.
    Â»Warum machen sie das, Mr. Truitt? Warum sind sie so traurig und so getrieben von …«
    Â»Die langen Winter. Die Religion.«
    Â»Wird es uns denn auch so ergehen?«
    Â»Nein.«
    Sie wollte so gern in die Stadt, natürlich. Jeder würde das gern, durch die Straßen gehen, sich so eine normale Frau anschauen, die nächste Woche vielleicht schon ihre Kinder ersäufte, oder den lebensmüden Arbeiter, der in einer einzigen Nacht vierzig seiner eigenen Rinder abschlachtete. Er wollte sie nicht in die Stadt gehen lassen, obwohl die Leute schon wussten, dass sie bei ihm wohnte. Endlich ,

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