Eine verlaessliche Frau
Raum war ganz in einem hellen Gelb gehalten, wie Butter. Ein anderer in Türkis, ein weiterer in Grün. In einem befanden sich lauter Holzspaliere, auf denen Reben und Blumen aufgemalt waren. Aus den Fenstern sah man nur das immer gleiche grenzenlose WeiÃ, aber hier drinnen war alles warm und golden.
»Es ist immer geheizt. Mrs. Larsen kommt zum Saubermachen hierher. Ich bin seit Jahren nicht mehr hier gewesen.« Truitt schien nichts zu empfinden. Er war der Reiseleiter, der hier auf ein Gemälde und dort auf einen Tisch zeigte, auf Dinge, die eigentlich auch jetzt noch eine Bedeutung für ihn haben mussten.
Im ersten Stock befanden sich neun riesige Schlafzimmer, jedes war in einer anderen Farbe gehalten, jedes warm und kostbarer als alles, was Catherine jemals gesehen hatte. Die Betten waren verziert und mit Bändern geschmückt, die Laken perfekt aufgezogen, als würden jeden Augenblick wichtige Gäste eintreffen.
»Dies war ihr Zimmer.« Es war in einem üppigen Königsblau gehalten. Ein Wohnzimmer und ein Ankleidezimmer schlossen sich an. Ihr Kamm und ihre Bürste lagen noch immer auf dem Toilettentisch. Eine geschliffene Kristallflasche war noch immer mit einem bernsteinfarbenen Parfüm gefüllt. »Und das hier war Frannys Zimmer.« Er stand in der Tür, ging aber nicht hinein. Sie blieben stehen und betrachteten das winzige Bett, das prunkvoll genug für eine Prinzessin war, und die Kindermöbel und die bunten Vorhänge. Ein Schaukelpferd stand unter einem der hohen Fenster.
»Sie schaukelte stundenlang damit, hin und her. Hin und her und lachte. Mein Gott, sie war so eine Freude.« Ein leichtes Stocken in seiner Stimme war das einzige Zeichen einer Gefühlsregung. »In diesem Bett ist sie gestorben. Ich habe bei ihr gesessen, Tag und Nacht.«
Es war, als würde das Kind im nächsten Augenblick ins Zimmer kommen und eine der Puppen in die Hand nehmen, die ordentlich aneinandergereiht auf dem Bett lagen, jede mit diesem unveränderlichen Ausdruck unschuldigen Glücks auf dem Gesicht. Catherine wollte nach einer der Puppen greifen, aber sie ging nicht hinein. Sie konnte es nicht. Mit dem Duft der Kindheit, der immer noch in der Luft lag, war auch der scharfe Geruch des Todes und des Kummers vermischt, Gerüche, die ihr nur allzu vertraut waren. Der letzte Duft der Kindheit. Das Ende der Reinheit.
Sie besichtigten alles. Antonios Zimmer. Die Gästezimmer, das Dienstbotenzimmer, die Küche mit Dutzenden von Kupfertöpfen, die an den Steinwänden glänzten.
Hinterm Haus lag ein von Mauern umschlossenes Gärtchen, das man aus Emilias Fenster und vom breiten Flur aus sehen konnte.
»Ihr geheimer Garten. Il giardino segreto. Eine italienische Torheit. Dort züchtete sie Pflanzen, Rosen und so weiter. Sie sagte, so etwas gäbe es in jeder italienischen Villa, und sie lieà Gärtner aus Italien kommen, die sich darum kümmerten. Sie züchtete Bäume, die sich umeinanderwanden, weiÃe Blumen, die in der Nacht wie Parfüm dufteten. Das kleine Häuschen dort, da drin züchtete sie Zitronen und Orangen.
Nur, dass es nie funktionierte. Der Sommer ist zu kurz, und sie konnte einfach nie die richtigen Sachen pflanzen. Die Gärtner waren Idioten, ich nehme an, sie waren ein völlig anderes Klima gewohnt. Die Zitronen verdorrten. Die Blumen sprossen nicht, erfroren in der Erde. Sie lieà Treibhauspflanzen kommen, pflanzte sie in die Erde, wo sie eingingen. Die Italiener brachten nichts zustande. Unnütz und dämlich. Es war eine Idee. Sie funktionierte nicht.«
Nachdem sie alles besichtigt hatten, wobei Catherine äuÃerlich so nüchtern und ungerührt wie Truitt selbst blieb, fuhren sie wieder nach Hause. Nach Hause in das kleine gewöhnliche Haus, das mit den phantastischen Resten eines sehr viel phantastischeren Reiches herausgeputzt war.
Catherine träumte von dem Haus. Sie sah sich selbst, wie sie durch seine breiten Flure lief, wie sie in bestickten Kleidern aus Seide und Spitze die breiten Marmorstufen hinunterschwebte. Sie sah sich selbst als Herrin dieses Hauses.
Jeden zweiten Tag begann Catherine nun, dorthin zu gehen. Wenn Mrs. Larsen zum Saubermachen ging, wenn Truitt zur Arbeit fuhr, ging sie hin und setzte sich in jedes Zimmer, spielte auf dem schon lange nicht mehr gestimmten Klavier im Ballsaal und sah in alle Schubladen und Schränke. Sie verbrachte ganze Nachmittage
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