Eine verlaessliche Frau
ungetrübtem Genuss. Die Männer sahen ihn voller Herablassung an, als wäre er ein Spielzeug, eine Puppe für ein Kind. Er war keine Person. Er war ein schöner Gegenstand, und nur aus diesem Grunde existierte er, und er existierte nur um seiner selbst willen.
Er aà drei Dutzend Austern. Als er fertig war, ging einer der beleibten Kellner zu ihm hin und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Tony Moretti lächelte und nickte. Langsam und träge erhob er sich, wie eine Katze in der Sonne, und ging zu einem Klavier am Ende des Saales. Er sagte nichts und drehte sich auch nicht um, sondern setzte sich einfach nur ans Klavier und starrte auf die Tasten. Im Raum wurde es still. Die Damen legten ihre Gabeln weg. Durch Catherines Hutschleier betrachtet, war er nur noch ein Schemen aus weiÃer Haut und schwarzem Haar, wie eine Photographie, ein körniger Schatten und helles Licht. SchlieÃlich hob er die Hände und begann zu spielen.
Er spielte ein beliebtes Lied, aber er spielte es so langsam und traurig, als wäre es noch nie zuvor erklungen. Die Töne, sonst eher leicht und harmlos, bekamen etwas Bedeutungsschweres und hallten in einer Weise nach, die ganz neu war und ganz von ihm stammte. In seinem Spiel lag etwas zugleich Beiläufiges und Wunderbares, es war ein kleines Juwel. Er spielte, als könnte man jeden einzelnen Ton berühren und wie Quecksilber in die Hand nehmen, ihn berühren und doch nicht berühren, als wäre er in gewisser Weise ein Wunder.
Als er fertig war, gab es Applaus, aber er nahm ihn nicht entgegen, sondern griff einfach nur nach seinem Spazierstock und stand auf, das Traurige der Musik zeichnete sich auf seinem Gesicht ab, in einem etwas unsicher wirkenden Ausdruck, den er vermutlich tausend Mal vor dem Spiegel geübt hatte.
Er fasste nach seiner Krawatte, sah hinunter und suchte mit den Blicken den Boden des Lokals ab. Er begann, mit gesenktem Blick langsam auf die Tür zuzugehen. Man wandte sich wieder dem Essen zu, und die Frauen warfen ihm über ihre Schultern bewundernde Blicke zu. Offensichtlich musste Tony Moretti keine Rechnung begleichen. Entweder lieà er anschreiben oder die kurze Musikeinlage war genug. Als er auf der Höhe von Catherines Tisch war, blieb er stehen, kauerte sich auf den Boden und stocherte mit der silbernen Stockspitze im Sägemehl herum.
Catherine war in Panik. Malloy und Fisk guckten bemüht in die andere Richtung und lieÃen verstohlen ihre Notizbücher in die Taschen gleiten. Tony Moretti sah auf und starrte Catherine mit seinen feuchten Augen an.
»Kann ich Ihnen helfen?« Sie bekam keine Luft, hatte keine Luft in den Lungen, um diese Worte herauszubringen, aber sie tat es doch, mit kurzen, leisen AtemstöÃen.
»Ich habe meine Krawattennadel verloren. Von dieser Krawatte hier. Eine diamantene Krawattennadel, die ich von einer Geliebten geschenkt bekommen habe. Ich dachte, ich hätte sie hier auf dem Boden entdeckt. Haben Sie sie vielleicht gesehen?«
»Nein, ich habe nichts gesehen.«
»Na gut, dann eben nicht. Dann ist sie eben weg. Tragen Sie Trauer?«
Sie war erstaunt über seine Dreistigkeit. Sie blickte kurz und nervös zu Malloy und Fisk hinüber. Die starrten auf ihre Hände.
»Nein, keineswegs. Ich habe im Gegenteil erst kürzlich geheiratet.«
»Ich hoffe, Sie sind glücklich. Sie sahen aus, als hätten Sie jemanden verloren, so wie ich meine Krawattennadel verloren habe. Ich bin froh, dass das bei Ihnen nicht der Fall ist.«
»Es tut mir leid, dass Sie Ihre Krawattennadel verloren haben.«
»Es ist nicht so wichtig. Absolut nicht wichtig. Ein Mädchen hat sie mir geschenkt. Sie bedeutet mir nichts mehr. Ich hasse es bloÃ, Dinge zu verlieren.«
Er stand auf, verbeugte sich leicht und verlieà das Lokal.
Er war eine Calla, rein und weiÃ, für die Einsamkeit und den Tod geschaffen. Sie wandte sich an Malloy und Fisk. »Ich wäre nie auf den Gedanken gekommen, dass er Truitts Sohn sein könnte.«
»Irren Sie sich da mal nicht. Er ist genau der Mann, den Truitt sucht.«
»Er ist immer schon Truitts Sohn gewesen. In San Francisco. In New York. Er ist ein Lügner und ein Nichtsnutz, aber er ist Truitts Sohn, beziehungsweise der Mann, den Truitt seinen Sohn nennt, und jetzt haben wir ihn.«
Fisk sah sie traurig an. »Er ist nicht zu retten.«
Malloy stimmte in diese traurige Diagnose ein. »Und er will
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