Eine verlaessliche Frau
Angst, denn sie war hin und her gerissen zwischen ihren eigenen Wünschen und dem Bedürfnis Truitts, einen Traum weiterzuträumen, der doch nie mehr in Erfüllung gehen könnte, ganz gleich, was auch geschah. Bevor Fisk und Malloy eintreffen sollten, um sie abzuholen, bestellte sie sich einen Sherry, trank ihn schnell aus und fühlte, wie sich die Wärme und Ruhe in ihrem Körper auszubreiten begann. Sie verspürte eine fast erotische Erregung, den vertrauten Geschmack, die Wärme, und sie wollte noch einen, noch einen und noch einen, aber sie spülte das Glas und auch ihren Mund sorgfältig aus, bis keine Spur des Alkohols mehr übrig war, und wartete auf den Sonnenuntergang.
Sie waren unerklärlich spät dran. Sie lief durch ihre Zimmer, sie probierte ihren Hut an und prüfte den Stoff ihrer feinen Kleider. Was sie zwischen ihren Fingern spürte, gab ihr Halt, die Dinge, die sie fühlen konnte, würden sie nicht im Stich lassen. Sie saà da und wartete. Ihre Gartenbücher, die von den Buchhändlern in braunem Packpapier ins Hotel geliefert worden waren, lagen aufgeschlagen auf einem Tisch vor dem Fenster. Die Illustrationen beruhigten sie, dieser Traum von Italien.
Sie trafen mit der Dunkelheit ein, waren linkisch und wirkten zugleich alarmiert. Sie setzte ihren Hut auf und ging mit ihren beiden Aufpassern durch die StraÃen von Saint Louis, bis sie zu einem Restaurant kamen, das mit Rindfleisch und frischen Austern warb und drinnen von warmem Gaslicht erleuchtet war, die Art von Restaurant, in dem Sägespäne auf dem Boden ausgestreut waren und beleibte Kellner bedienten, die bodenlange weiÃe Schürzen um die Hüften trugen. Sie nahmen Platz und bestellten kleine Steaks. Mr. Malloy und Mr. Fisk wollten nichts trinken und legten ihre Notizbücher auf den Tisch.
Er kam um sieben Uhr herein, war vornehm gekleidet, frisch rasiert, wirkte makellos, hatte einen Spazierstock bei sich und strahlte etwas Unverschämtes und Wissendes aus. Alles an ihm wirkte sehr sauber. Etwas Besitzergreifendes ging von ihm aus, das sie sehr beeindruckte. Er setzte sich, ohne dass man ihm einen Tisch hätte zuweisen müssen, und die Kellner brachten ihm schon Austern und Champagner, bevor er richtig Platz genommen hatte.
Er aà die Austern, als wäre jede einzelne ein unvergleichliches Erlebnis. Sein Gesicht und sein langes schwarzes Haar waren purer Luxus, dafür gab es kein anderes Wort, und Catherine spähte durch den Vorhang ihres Schleiers zu ihm hinüber und registrierte jedes Detail: wie sein Haar über den Kragen floss, wenn er den Kopf in den Nacken legte, um eine Auster zu essen, wie er sich ein wenig zu seinem Champagner herunterbeugte, wie sich seine Augen schlossen, als er den Alkohol herunterspülte, und seine unglaublich langen Wimpern, die wie die einer Frau wirkten. Eine Locke fiel ihm in die Augen, und er warf seinen Kopf zurück. Sein Hemd funkelte, seine Krawatte war aus kostbarer dunkler Seide, und er sah gleichzeitig wie ein Künstler und ein altertümlicher Beau aus. Er war schön, schön auf eine Weise, die Malloy und Fisk niemals in ihren kleinen Notizbüchern hätten vermerken können, schön auf eine Weise, bei der eine Frau nach Luft schnappen musste. Er war schön, ohne auch nur einen Moment lang feminin zu wirken, und seine langen, kräftigen Hände schwebten wie aufgeregte groÃe Vögel über seinem Essen.
Es gab keine Ãhnlichkeit zwischen dem Sohn und dem Vater. Aber natürlich, jetzt fiel es ihr wieder ein, Truitt war mit gröÃter Wahrscheinlichkeit gar nicht sein Vater. Truitt war ganz und gar Amerikaner, gut aussehend, ohne extrem oder beunruhigend zu wirken, stämmig und gewöhnlich und stark. Der Sohn war Europäer, mit dieser Adlernase, den hohen Wangenknochen, dem dunklen Bart, den bläulich schimmernden hohlen Wangen, seinen scharfen glitzernden Zähnen, den halb geschlossenen, beinahe geölt aussehenden Lidern. Er war schlank.
Seine Augen waren schwarz wie das Eis auf dem Wisconsin River und genauso kalt. Er existierte â oder zumindest schien es so â nur für sich selbst, für diesen Augenblick, in dem er seine Austern aà und seinen Champagner trank, wobei ihm bewusst war, dass jede Frau ihn anstarrte. Frauen, die jede Einzelheit seines Gesichts und seines Körpers in sich aufsogen, so wie er seinen Champagner hinunterschlürfte: mit
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