Eine verlaessliche Frau
mit dem wenigen Geld, das er hatte. Nichts war ihnen entgangen.
Er spielte Klavier in einer Musikhalle, die von den Schönen der Nacht besucht würde, sagten sie, den Damen der Halbwelt und den Spielern, vermutlich eine der Musikhallen, an denen sie vorbeigegangen war. Er spielte einfache klassische und populäre Stücke und sang sentimentale Lieder, die gerade in Mode waren, manche auf Italienisch, eine Sprache, die er nicht zu kennen schien. Er sang nicht gut, sagten sie. Ein Caruso sei er nicht gerade.
Er war herumgekommen. Er war durchs ganze Land gereist, von San Francisco bis nach New York, machte immer das Gleiche, manchmal benutzte er einen anderen Namen, spielte Klavier, verplemperte seine Nächte in irgendwelchen Bordellen und Opiumhöhlen. Und in jeder Stadt hatte man ihn satt, in jeder Stadt hatte man schlieÃlich genug von Tony Moretti, und er zog weiter.
Deshalb war es so schwer gewesen, ihn zu finden. Deshalb hatten sie mehrmals den falschen Mann gefunden. Jedes Mal fanden sie heraus, dass Mr. Moretti gerade das Zimmer verlassen und nur einen Schatten dagelassen hatte, der ihm ähnlich sah.
»Wie lange suchen Sie schon nach ihm? Sind Sie ihm von Stadt zu Stadt gefolgt?«
»Nur zwei Monate und nur in Saint Louis. Ich spreche für Mr. Fisk und mich selbst. Andere Detekteien und Detektive waren in anderen Städten tätig.«
»Sie« hieà in diesem Falle unscheinbare Männer wie Mr. Malloy und Mr. Fisk. Der Mann, den sie gefunden hatten, war vielleicht der Mann, den andere in San Francisco oder in New York oder in Austin aufgespürt hatten oder auch nicht. Sie hatten die jeweilige Information immer an ihre Zentralstelle geschickt, die sie an Mr. Truitt weiterleitete.
»Er ist kein guter Mensch, Mrs. Truitt.« Mr. Fisk hielt sein Notizbuch offen in der Hand, als hätte er die Stichworte für das Gespräch notiert, damit er sich ganz klar ausdrücken konnte, wie ein Telegramm, und kein Wort zuviel sagte. »Er ist nicht freundlich oder gut oder besonders talentiert. Er ist faul. Er ist ausschweifend. Er ist ein Bastard.«
»Vielleicht sind Ihre moralischen MaÃstäbe für den Charakter eines Menschen etwas zu hoch. Moderne Menschen haben sicher â¦Â«
»Ich fürchte, das ist nicht der Fall, nicht in dieser Angelegenheit.« Mr. Malloy sah sie mit einer Ernsthaftigkeit an, der jede Art von Humor abging. »Er ist so wertlos wie eine Marionette. Wie ein exotisches Spielzeug.«
Sie achtete darauf, nur äuÃerst vorsichtig zu reagieren und sich angesichts dieser Litanei über das schmutzige Leben von Truitts Sohn nicht überrascht zu zeigen.
»Er ist der Sohn meines Mannes.«
» Falls er es ist, wollten Sie sagen, Mrs. Truitt. Eher unwahrscheinlich.« Als wäre sie selbst irgendwie nicht ganz standesgemäÃ. Sie starrte ihn mit, wie sie hoffte, völliger Verachtung an. Mr. Fisk sah erneut auf sein Notizbuch.
Mr. Malloy machte eine lange Pause, bevor er wieder zu sprechen begann. »Manchmal, Mrs. Truitt, arbeiten wir sehr hart an einer Sache, wir arbeiten bis zur Erschöpfung, um etwas zu Ende zu bringen, das uns wichtig erscheint.« Sorgfältig wählte er seine Worte. »Wir hoffen das Beste zum Wohl aller. Und manchmal stoÃen wir dann darauf und stellen fest, dass es die ganze Mühe absolut nicht wert gewesen ist.«
»Mr. Malloy. Das haben nicht wir zu entscheiden. Es ist der Wunsch meines Mannes. Es handelt sich um den Sohn meines Mannes. Sind Sie sicher?«
Mr. Fisk machte für Mr. Malloy reinen Tisch. »Er ist es. Tony Moretti ist zumindest der Sohn von Ralph Truitts Frau. Wir haben ihn gefunden, Mrs. Truitt.«
»Ich möchte ihn sehen.«
»Das werden Sie auch. Wir werden seine Unterkunft aufsuchen.«
»Ich möchte ihn sehen, bevor er mich sieht. Ich will ihn heimlich beobachten, von der anderen Seite eines Zimmers aus oder auf der StraÃe. Ich will den Sohn mit dem Vater vergleichen.«
»Der Ort, an dem er seine Musik spielt, diese Musikhalle, wäre nicht passend.«
Sie hatte das nicht in Betracht gezogen. So weit hatte sie nicht gedacht. »Das ist mir schon klar.«
»Es gibt da ein Restaurant. Es wird von anständigen Leuten frequentiert. Dort bräuchten Sie sich nicht zu schämen. Sich nicht unwohl zu fühlen. Er kommt abends dorthin, bevor er zur Arbeit geht, falls man das so nennen kann, um Austern zu essen und Champagner
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