Eine verlockende Braut: Roman (German Edition)
ebenso hassen, wie Jamie es in dem Augenblick tat, aber sie wusste, er tat einfach, was die Sinclairs immer getan hatten.
Weiterleben.
Als Emma den Balkon ganz oben auf dem Turm erreichte, war Jamie schon da, stand mit dem Rücken zu ihr und umklammerte mit beiden Händen die hölzerne Brüstung.
Sie trat in den Sonnenschein hinaus und schnappte unwillkürlich nach Luft. Das Hochland lag wie ausgebreitet unter ihnen, in all seiner rauen Pracht. Ein zarter grüner Schleier überzog die Flächen und Schluchten weiter unten, während strahlendes Weiß immer noch die höchsten Gipfel bedeckte. Bäche wanden sich von den Bergen ins Tal, angeschwollen von dem schmelzenden Schnee und dem glitzernden Silber unter dem Kuss der Sonne.
Als eine ätherisch zarte Wolke an dem Balkon vorbeiwehte, verstand sie, warum Jamies Großvater darauf hatte kommen können, sich als Herrscher eines mächtigen Königreichs zu betrachten. Warum sollte er unter den Normalsterblichen unten am Fuß des Berges leben, wenn man stattdessen in den Wolken residieren konnte? Während er diese atemberaubende Aussicht aus dieser schwindelerregenden Höhe genießen konnte, konnte ein Mann sich durchaus einbilden, der Herr des Himmels selbst zu sein.
Aber momentan erinnerte Jamie sie mehr an den dunklen Prinz einer stygischen Unterwelt, wo dem Unheil geweihte Seelen hingeschickt wurden, um auf ihre Strafe zu warten.
»Du solltest nicht hier sein«, sagte er, ohne sich umzudrehen. »Du gehörst ins Bett.«
»In wessen denn?«, fragte sie leise und stellte sich neben ihn an das Geländer. »Deines? Das des Earls?«
Er wandte sich um und sah sie an, und seine Miene war so kühl, dass ihr ein kalter Schauer über den Rücken lief. »Dein eigenes Bett. Das, in deinem Schlafzimmer in Lancashire. Das mit dem Rotkehlchennest vor dem Fenster und der Mäusefamilie unter den Dielen im Speisezimmer. Du gehörst tausend Meilen weit weg von hier – weg von all dem Betrug und Verrat … und Tod.«
»Weg von dir?«
Sein Zögern dauerte so kurz, dass sie meinen könnte, sie habe es sich nur eingebildet. »Ja.« Er richtete seinen Blick wieder auf die Moore und den Berg, sein Profil so streng und unergründlich wie das eines Fremden. »So weit von mir weg, wie die Straße dich bringen kann.«
»Und was, wenn ich mich entscheide, nicht zu gehen?«
»Du hast nicht die Wahl. Hast du meinen Großvater nicht gehört? Ich stamme von einer langen Linie Männer ab, die eine Geschichte haben, genau das zu zerstören, was sie am meisten lieben.«
Hoffnung wallte in ihr auf und schob die Furcht beiseite. »Was versuchst du mir zu sagen, Jamie? Dass du mich liebst? Ist es das, was du mir sagen wolltest, bevor du die Seite aus dem Kirchenregister entdeckt hast?«
Sie berührte ihn am Ärmel, aber er wich zurück. Vorher hatte er seine Hände nicht von ihr lassen können, aber jetzt war es, als könne er es nicht ertragen, sie anzusehen, geschweige denn, sie anzufassen.
»Was versuchst du da zu tun?«, rief sie, und ihre Erbitterung wuchs. »So tun, als ob die Nacht in dem Glockenturm nicht stattgefunden hätte?« Konnte er wirklich vorgeben, dass sie nie unter ihm gelegen hatte, hilflos vor Wonne zitternd, als seine geschickten Finger und sein kraftvoller Körper ihr das süßeste und verheerendste Entzücken geschenkt hatten, das ein Mann einer Frau bereiten konnte? »Kannst du mir wirklich sagen, dass diese Nacht dir nichts bedeutet hat?«
Er drehte sich um und sah sie geradewegs an, und die Gleichgültigkeit in seinen Augen war noch eisiger als die Verachtung, die er seinem Großvater gezeigt hatte. »Ich habe meinen Teil der Abmachung erfüllt. Du hast mich gebeten, dich zu ruinieren, nicht dir ewige Liebe zu schwören. Wenn es dir morgen gut genug geht, um zu reiten, bringe ich dich den Berg hinab. Deine Familie glaubt gewiss, du seist tot. Ich muss dich zu ihnen zurückbringen, bevor sie Schottland verlassen.«
Emma schüttelte den Kopf, konnte kaum fassen, wie leichtfertig er das abtat, was sie miteinander erlebt hatten. »Und was ist mit Hepburn? Er hat vielleicht deine Mutter nicht ermordet, aber er hat versucht, mich umzubringen. Und ich bin sicher, es würde ihn unglaublich freuen zu hören, dass nicht länger die Notwendigkeit besteht, dass er sich eine neue Braut sucht, da er ja schon einen Erben hat.«
Ein grimmiges Lächeln spielte um Jamies Lippen. »Oh, du kannst Hepburn getrost mir überlassen. An ihn brauchst du nicht länger auch nur einen Gedanken
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