Eine verlockende Braut: Roman (German Edition)
am Leben wäre. Daher ging ich zu ihm und legte ihm die Mündung meiner Pistole auf die Stirn, genau zwischen die Augen. Er wehrte sich gar nicht. Er schaute mich nur an, als fordere er mich heraus – nein, flehte mich an –, den Abzug zu betätigen.«
»Und das hast du dann getan«, stellte Jamie tonlos fest.
»Ja. Und dann lagen sie beide da. Sich im Tod umarmend.« Die Züge seines Großvaters verhärteten sich. »Ich konnte den Gedanken nicht ertragen, dass er sie weiter berührte, sie für sich zu fordern, selbst im Tod. Daher zog ich sie auseinander und habe dafür gesorgt, dass er sie nie wieder anfasst. Ich wollte gerade die Pistole gegen mich selbst richten, als ich es hörte.«
»Was?«, fragte Emma leise und in der Erkenntnis, dass beide Männer ihre Gegenwart vermutlich vergessen hatten. »Was haben Sie gehört?«
Er hielt den Kopf schief, als hörte er das ferne Echo dieses längst vergangenen Augenblicks. »Ein leises Gurren, wie von einer Taube. Ich ging zu dem Gebüsch, und da lagst du. Sie mussten dich dort versteckt haben, als sie mein Pferd kommen hörten.«
Der Ausdruck auf Jamies Gesicht brach Emma erneut schier das Herz. »Ich war in der Nacht in der Schlucht dabei, als sie starben? Aber du hast mir doch erzählt, sie hätten mich bei Mags gelassen.«
Sein Großvater zuckte die Achseln. »Was macht schon eine Lüge mehr aus, wenn man schon tausend erzählt hat?« Ein Schatten flog über sein Gesicht. »Einen entsetzlichen Moment lang war ich in Versuchung geführt, auch dich zu töten – den letzten Beweis ihrer Liebe zu zerstören. Aber als ich mich bückte, um es zu tun, hast du mich angesehen, ohne zu weinen. Ohne zu blinzeln. Dann hast du mit deiner winzig kleinen Faust meinen Finger ergriffen und dich an mir festgehalten.« Der alte Mann wandte sich mit Tränen in den Augen zu Jamie um. »In dem Augenblick wusste ich, du gehörtest nicht ihnen. Du warst mein.«
Als Jamie ihn weiter nur anschaute, sein Gesicht so wunderschön und so gnadenlos wie das eines Racheengels, wischte sich der Sinclair die Tränen aus den Augen, und seine Hand wurde ruhiger. »Ich wollte nicht damit leben, was ich getan hatte. Aber ich wusste, mir blieb keine andere Wahl, wenn ich mich um dich kümmern wollte. Daher habe ich dich zu Mags in die Bauernkate zurückgebracht und ihr den Schwur abgenommen, über alles Stillschweigen zu bewahren. Dann bin ich spät in der Nacht mit meinen Männern in die Schlucht zurückgekehrt, damit es Zeugen gab, wenn deine El…« Er schluckte. »Wenn die Leichen gefunden wurden.«
Jamies Stimme war gefährlich ausdruckslos. »Und ich nehme an, es war leicht genug, ihre Morde Hepburn anzuhängen. Schließlich waren er und seine Familie seit Jahrhunderten verantwortlich für die meisten Übel, die in der Gegend hier geschahen.«
»Ja. Und das war das Einzige, was ich an dieser ganzen furchtbaren Tragödie nicht bereuen kann. Wenigstens jetzt nicht.«
Emma blieb das Herz beinahe stehen, als er in eine Falte seines Kilts griff und eine uralt wirkende Pistole mit einer kelchförmigen Mündung hervorzog. Aber er hielt sie Jamie einfach nur hin, mit dem Griff voraus.
»Mach schon, Junge. Nimm sie und tu das, was zu tun ich schon seit Jahren den Mut hätte haben sollen.«
Jamie blickte auf die Waffe in der Hand seines Großvaters, seine Augen kälter, als Emma es je zuvor bei ihm gesehen hatte. »Du hast mir immer gesagt, die Wahrheit könnte einen töten. Oder am Leben halten. Ich denke, ich lasse dich weiter mit dem leben, was du getan hast.«
Sein Großvater kam mühsam auf die Füße und lehnte sich schwer auf den Stiel der Hacke. »Ich will dein Erbarmen nicht! Ich habe dafür keine Verwendung!«
Ein verächtliches Lächeln spielte um Jamies Lippen. »Oh, ich habe kein Erbarmen mit dir. Es besteht für mich nur keine Notwendigkeit, deine Reise zur Hölle zu beschleunigen. Du kommst dort rasch genug von allein hin.«
Mit dem Halsband seiner Mutter in der Hand kehrte Jamie seinem Großvater den Rücken. Als er an ihr vorbeikam, griff Emma nach ihm. Aber er ging einfach weiter, als sei sie gar nicht da.
Sie zögerte einen Moment, dann drehte sie sich um, um ihm zu folgen. Halb rechnete sie damit, den dröhnenden Knall einer abgefeuerten Pistole hinter sich zu hören. Aber als sie auf der Anhöhe stehen blieb, um über ihre Schulter zu blicken, entdeckte sie, dass Jamies Großvater wieder die Hacke genommen hatte und damit die Erde weiter bearbeitete.
Sie würde ihn
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