Eine verlockende Braut: Roman (German Edition)
nahm seinen Blick nur gerade so lange von seinem Großvater, wie er brauchte, um mit einem Finger auf sie zu zeigen. »Das hier geht dich nichts an, Mädchen. Und wag es nicht, in Ohnmacht zu fallen! Denn wenn du das tust, werde ich dich, verdammt noch einmal, ganz bestimmt nicht auffangen.«
Emma verkniff sich eine Erwiderung. Trotz Jamies Warnung wusste sie, wenn sie in ebendiesem Moment umkippte, würden seine Arme sie umfangen, noch ehe sie den Boden berühren konnte.
Zu ihrer immensen Erleichterung ging sein Großvater zu einem Felsen am Rand des Gartens und legte die schwere Hacke beiseite. Mit unter der Last von Jamies Verachtung gebeugten Schultern sah er genauso alt aus, wie er war.
»Ich habe deine Mutter abgöttisch geliebt, das weißt du«, erklärte er und blinzelte gegen das Sonnenlicht zu Jamie hoch. »Sie war alles, was mir geblieben war, nachdem das Fieber deine Großmutter umgebracht hatte. Es brach mir das Herz mitten entzwei, als sie mit diesem Schuft auf und davon lief.« Er schüttelte den Kopf, sein faltiges Gesicht von Sorgenfalten durchzogen. »Ich habe monatelang nach ihr gesucht – vergebens. Ich hätte sie nie gefunden, wenn mir Mags nicht die Botschaft hätte zukommen lassen, dass Liannas Baby geboren sei. Aber zu der Zeit, da ich die alte Bauernkate erreichte, war es zu spät. Sie waren bereits fort.«
»Darum bist du ihrer Spur gefolgt.« Jamies Worte waren keine Frage.
Ärger flackerte in den Augen des älteren Sinclair auf, sodass sie denen seines Enkels auf gespenstische Weise glichen. »Wie kann ich erwarten, dass du das verstehst, wenn du nie eine Tochter hattest? Meine Lianna war immer so ein liebes Mädchen. Und er war nur ein weiterer elender, habgieriger Hepburn, der ein junges unschuldiges Mädchen ausgenutzt hat, als er es zufällig im Wald traf. Himmel, deine eigene Großmutter, meine süße Alyssa …« Er brach ab, seine Stimme erstickt von Wut und erinnertem Schmerz.
Emma schloss die Augen, denn sie verstand nun nur zu gut, wie dieses Erbe des Hasses von Generation zu Generation weitergegeben worden war.
»Ich wusste, der junge Schuft hatte meine Lianna verführt. Sie vielleicht sogar vergewaltigt. Sie zu seiner Hure gemacht.«
»Sie war nicht seine Hure!«, brüllte Jamie. »Sie war seine Ehefrau!«
Sein Großvater hielt sich zitternd einen Handrücken vor den Mund. »Das wusste ich damals nicht. Ich habe die herausgerissene Seite aus dem Kirchenregister erst, nachdem sie tot waren, in seiner Rocktasche gefunden. Aber da war es schon zu spät.« Seine Stimme erstarb zu einem ersticken Flüstern. »Zu spät für uns alle.«
Emma fragte sich, wie er das all diese Jahre hatte ertragen können – das Wissen, dass er seine eigene Tochter und deren Ehemann umgebracht hatte wegen eines Verbrechens, das keiner von beiden begangen hatte. Kein Wunder, dass sein Herz letztlich doch unter dieser erdrückenden Schuld nachzugeben drohte.
Ramsey Sinclair richtete seine flehentlichen Augen wieder auf seinen Enkel. »Ich wollte ihr nie etwas tun, Junge. Das schwöre ich. Ich wollte sie nur nach Hause holen. Als ich sie in der Schlucht eingeholt hatte, habe ich meine Pistole gezogen, in der Absicht, den jungen Hund so weit einzuschüchtern, dass er sie ohne Gegenwehr gehen ließe. Aber er schrie, sie sei zu gut, zu fein und zu edel, um den Rest ihres Lebens bei den Sinclairs und ihresgleichen zu fristen. Dass sie nun zu ihm gehörte. Dass er sie niemals gehen lassen würde. Da wurde alles rot vor meinen Augen, und alles, was ich hören konnte, war das Dröhnen in meinen Ohren, als ich die Pistole hob und auf sein Herz zielte. In genau dem Augenblick, in dem ich abdrückte, warf sie sich vor ihn.«
Jamie presste die Faust mit dem Halsband auf seine Lippen, während sein Großvater weitersprach. »Ich werde nie den Ausdruck in ihren Augen vergessen. Der Schock, das Gefühl, verraten zu sein, und – am schlimmsten – in jenen letzten kostbaren Sekunden ihres Lebens das Mitleid.«
Der ältere Sinclair senkte den Kopf, als wüsste er, er hatte auf ewig jegliches Anrecht auf das Mitgefühl seines Enkels verspielt. »Hepburn fing sie auf, als sie fiel, saß da mit ihr in seinen Armen, wiegte sie vor und zurück und weinte wie ein Baby. Ich konnte nicht fassen, was ich getan hatte. Aber alles, was ich denken konnte, war, dass ohne ihn, ohne die Hepburns, die die Sinclairs über die Jahrhunderte immer wie Dreck behandelt hatten, meine geliebte Tochter, mein süßes Mädchen noch
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