Eine verräterische Spur: Thriller (German Edition)
nicht, was ich sagen soll, Sara. Ich dachte, Steve würde dich selbst anrufen.«
»Nein, das hast du nicht gedacht«, sagte sie bitter. »Du hast keinen Gedanken an Wendy oder mich verschwendet. Genauso wenig wie er. Von mir aus könnt ihr alle beide bleiben, wo der Pfeffer wächst!« Sie knallte den Hörer auf die Gabel und brach in Tränen aus. Wendy rannte aus dem Zimmer und die Treppe hinauf.
Das war’s, dachte Sara, nachdem sie sich wieder etwas beruhigt hatte, das war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Jetzt reichte es.
Sie trocknete sich die Augen und ging hinaus. Der Deputy kam ihr mit einem unglücklichen Gesicht entgegen.
Sara hob eine Hand. »Ich weiß. Ich habe gerade mit dem Büro meines Mannes gesprochen.«
»Tut mir leid, Ma’am«, sagte der Deputy.
»Ihnen muss doch nichts leidtun. Danke jedenfalls für Ihre Mühe.« Der letzte Rest von Adrenalin in ihrem Körper war aufgebraucht, und sie fühlte sich wie achtzig, als sie sich die Treppe hinauf ins Zimmer ihrer Tochter schleppte.
Wendy war damit beschäftigt, ihre Puppen in einen Müllsack zu stopfen, während ihr die Tränen übers Gesicht liefen.
»Schätzchen, was machst du denn da?«
Wendy blickte nicht auf. »Ich will sie nicht mehr.«
»Warum?«
»Weil sie doof sind«, sagte sie zornig. »Ich bin zu alt, um mit so albernem Kinderspielzeug zu spielen.«
Sara brach es das Herz. Mit dem Spielzeug warf Wendy ihre Kindheit weg. Sie war verletzt und wütend. Niemand nahm Rücksicht auf ihre Gefühle – die Gefühle eines Kindes. »Tu das nicht«, sagte Sara leise. Sie kniete sich neben ihre Tochter und nahm ihr sanft eine Babypuppe aus der Hand. Sie erinnerte sich daran, wie sie Wendy diese Puppe zu Weihnachten geschenkt hatten. Sie war fünf gewesen und mit Windpocken übersät. Sara hatte die Puppe mit roten Tupfen bemalt, damit Wendy sich über die Feiertage nicht so allein fühlte, isoliert von ihren Cousins und Cousinen, ausgeschlossen von den Feiern. Sie und ihr neues Baby hatten beide Windpocken, Steve hatte den Arzt gespielt und Sara die Krankenschwester, sie hatten sich liebevoll um sie gekümmert, sie waren eine richtige Familie gewesen.
Sie blickte Wendy an, strich ihr über die Wange und sagte: »Weißt du eigentlich, wie lieb ich dich habe?«
Sie hielten einander fest und weinten, gaben den Gefühlen nach, die sie beide viel zu lange zu unterdrücken versucht hatten. Als keine Tränen mehr übrig waren, nahm Sara ihre Tochter bei der Hand und führte sie zu dem Sitzplatz am Fenster.
»Ich muss dir etwas sagen«, sagte sie.
»Du und Daddy, ihr lasst euch scheiden«, sagte Wendy tonlos.
»Es tut mir so leid«, sagte Sara. »Das habe ich alles nicht gewollt.«
Wendy lehnte sich an Sara und legte den Kopf auf ihre Schulter. »Ich möchte, dass alles wieder so wie früher ist.«
»Ich auch«, flüsterte Sara und strich ihrer Tochter übers Haar. »Das möchte ich auch. Ich würde alles dafür geben. Aber es geht nicht, und wir können nicht so weitermachen wie bisher. Das ist für keinen von uns gut.«
»Das ist gemein«, schluchzte Wendy. »Du und Daddy, ihr sollt euch für immer lieben!«
»Ich weiß«, sagte Sara, von Schuldgefühlen und Traurigkeit überwältigt. »So sollte es sein.«
»Ich verstehe nicht, warum Daddy nicht einfach glücklich mit uns sein kann. Du bist hübsch und klug, und ich – ich v-versuche immer b-brav zu sein …«
Sara drückte ihre Tochter fest an sich. »Es ist nicht deine Schuld, Schätzchen. Du hast nichts falsch gemacht. Ich weiß nicht, warum Daddy nicht glücklich sein kann. Ich weiß es einfach nicht.«
Sie hatte sich diese Frage selbst schon oft gestellt und keine Antwort darauf gefunden. Sie hatte sich Vorwürfe gemacht. Steve hatte ihr Vorwürfe gemacht. Seiner Ansicht nach war sie zu eifersüchtig und vertraute ihm nicht. Aber hatte er ihr nicht selbst bewiesen, dass sie ihm nicht vertrauen konnte? Wie hätte sie nicht eifersüchtig sein sollen, wenn ihr Ehemann den Großteil seiner Zeit mit anderen Frauen verbrachte – entweder bei der Arbeit für das Thomas Center oder mit irgendeiner Geliebten. Wie viele Nächte hatte sie schlaflos im Bett gelegen, an die Decke gestarrt und sich gefragt, was er an ihr vermisste. Sie hatte sogar ihn gefragt. Er hatte keine Antwort darauf gewusst.
»Du hast nichts falsch gemacht«, sagte sie, nicht ganz sicher, ob sie mit Wendy oder mit sich selbst redete. »Daddy hat dich sehr lieb, Schätzchen. Das weißt du. Ganz egal,
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