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Eine verräterische Spur: Thriller (German Edition)

Eine verräterische Spur: Thriller (German Edition)

Titel: Eine verräterische Spur: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tami Hoag
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betrog. Anne erinnerte sich daran, wie schwer es gewesen war, wie eine Erwachsene zu handeln, wo sie doch noch ein Kind war. Dass diese Last auf ihr gelegen hatte, nahm sie ihrem Vater nach wie vor übel.
    Trotzdem würde sie ihn demnächst wieder einmal besuchen und nach ihm sehen – weil ihre Mutter es so gewollt hätte. Er meckerte so oder so, ob sie ihn besuchte oder nicht. Er fand an allem etwas auszusetzen, das war seine Lieblingsbeschäftigung. Gott sei Dank gab es jetzt Ling, seine Pflegerin, mit der er herumstreiten konnte.
    »Vielleicht können wir deine Mom überreden, hierherzukommen und ein paar Tage bei uns zu bleiben«, sagte Anne.
    Bei dieser Vorstellung hellte sich Wendys Miene auf. Glücklicherweise gab es Momente, in denen sie noch das Kind zu sein schien, das sie sein sollte – statt einer kleinen Erwachsenen.
    »Das wäre toll!«, sagte sie. »Wie bei einer Pyjamaparty – bis auf Vince.«
    »Vince käme damit schon klar.«
    Haley bewegte sich in ihrer Ecke. Anne beugte sich zu ihr und zog ihr die Decke über die Schultern.
    »Werden Sie Haley behalten?«, fragte Wendy.
    »Ich weiß es nicht.«
    »Wo soll sie denn sonst hin? Die würden sie in ein Waisenhaus schicken, oder?«
    »Nein, das wird nicht geschehen. Zuerst müssen die Behörden nach Angehörigen von ihr suchen.«
    Wendy verzog das Gesicht. »Diese schreckliche Mrs Bordain. Ich hab gestern so getan, als würde ich sie nicht kennen. Sie ist so – das Wort darf ich nicht sagen.«
    »Kennst du sie von Marissa?«
    Wendy nickte. »Aber sie kennt mich nicht, weil ich nur ein Kind bin, durch Kinder guckt sie durch.«
    »Es liegt ihr aber etwas an Haley«, sagte Anne. »Haley ist so eine Art Enkelin für sie.«
    »Kann schon sein«, sagte Wendy. »Jedenfalls hat sie dauernd auf Marissa rumgehackt. ›Tu dies, tu das. Tu dies nicht, tu das nicht.‹«
    »Ach, wirklich?«, sagte Anne und versuchte das, was Wendy ihr erzählte, mit Milo Bordain als trauernder Ersatzmutter in Einklang zu bringen.
    »Einmal habe ich gehört, wie sie Marissa angeschrien hat. So was wie: ›Ich könnte dir das alles wegnehmen!‹«, fuhr Wendy fort und imitierte dabei erstaunlich gut Milo Bordains Stimme. Und Marissa hat gesagt: ›Ich dir auch und das weißt du!‹«
    »Was sie wohl damit gemeint hat?«, fragte Anne.
    Wendy zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. Dann hat Mrs Bordain mich entdeckt und schrie mich an, weil ich angeblich gelauscht hatte.«
    Ich dir auch und das weißt du.
    Was hätte Marissa ihrer Gönnerin wegnehmen können? Die Ersatztochter? Haley?
    »Wie wäre es mit einem warmen Apfelpunsch?«, schlug Anne vor. »Mit Zimt. Draußen ist es so scheußlich.«
    Sie stand auf und zog ihre Strickjacke enger um sich, als sie in die Küche ging. Im Rest des Hauses war von der Wärme des Kaminfeuers im Wohnzimmer nicht viel zu spüren.
    Sie schaltete das Licht über dem Herd ein und füllte den Wasserkessel. Draußen war es schon fast dunkel, obwohl es noch Nachmittag war. Der Nebel hatte sich den ganzen Tag über nicht verzogen, und der Himmel schien immer schwerer auf die Erde zu drücken.
    Sie fragte sich, wo Dennis war, wie es ihm ging. Das Büro des Sheriffs würde ihr Bescheid geben, wenn man ihn gefunden hatte. Wie in aller Welt sollte sie ihm jetzt noch helfen? Zwölf hin oder her, man würde ihn mit ziemlicher Sicherheit in eine Jugendstrafanstalt stecken, bis er achtzehn war. Sie würde sich dafür einsetzen, dass es wenigstens eine mit einem guten Psychiater war …
    Sie drehte sich um und sah aus dem Fenster, und ein Schauer überlief sie. Sie mochte es nicht, wenn es dunkel wurde und die Jalousien noch oben waren. Dann hatte sie oft das Gefühl, dass da draußen jemand lauerte und sie beobachtete.
    Sie wusste nicht, dass sie tatsächlich beobachtet wurde, als sie jetzt die Jalousien herunterzog.

77
    »Wussten Sie, dass er seine Medikamente nicht genommen hat?«, fragte Vince.
    Nasser schüttelte den Kopf. »In persönlichen Dingen ist er sehr verschwiegen. Ich habe die Rezepte für ihn eingelöst, aber was er mit den Pillen machte, ging mich nichts an.«
    Sie standen vor dem Eingang zur Notaufnahme. Nasser rauchte eine Zigarette. Zum Schutz vor der Kälte hatte er den Kragen seiner Marinejacke hochgeschlagen. Zusammen mit seinem dunklen Teint und dem sorgfältig gestutzten Ziegenbärtchen ließ ihn das irgendwie zwielichtig aussehen.
    »Hat er Ihnen gegenüber jemals eine Frau namens Bordain erwähnt?«
    »Ich kann mich nicht erinnern.

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