Eine verräterische Spur: Thriller (German Edition)
Warum sollte er?«
»Sie war Marissas Gönnerin. Ihr gehört das Haus, in dem Marissa wohnte.«
»Ach …«, sagte Nasser. »Ich weiß, wen Sie meinen. Zander hatte Angst vor ihr.«
»Angst?«
»Sie hat ihn eingeschüchtert, so dass er sich ganz klein vorkam.«
»Halten Sie Zander für jemanden, der imstande wäre, sich für so etwas zu rächen?«
»Zander? Wie sollte er das denn machen?«, fragte Nasser. »Sie mit einer bösen mathematischen Gleichung verfluchen? Er geht ja noch nicht mal in einen Laden, um Kaugummi zu kaufen.«
»Das habe ich mir gedacht.«
Einen Moment lang schwiegen sie. Nasser zog noch einmal an seiner Zigarette und drückte sie in dem großen sandgefüllten Aschenbecher auf dem Abfallbehälter neben der Tür aus. Er deutete mit dem Kopf zur Notaufnahme: »Das dauert ziemlich lange.«
»Es war ja auch ein langes Messer«, sagte Vince.
»Meinen Sie, dass er durchkommt?«
»Ich weiß es nicht.«
»Er ist im Innersten so zerbrechlich«, sagte Nasser. »Als wäre er nicht für diese Welt gemacht, verstehen Sie?«
»Er hatte es nicht leicht.«
»Glauben Sie, dass er Marissa umgebracht hat?«
»Nein«, sagte Vince. »Kommen Sie, machen wir eine kleine Fahrt. Vielleicht können wir es beweisen.«
In Nassers altem 3er BMW fuhren sie die dunkle Landstraße entlang. Der Auspuff musste dringend repariert werden, und das Verdeck ächzte, als würde es jeden Moment davonfliegen.
In der einsetzenden Dämmerung hatte Zahns Haus etwas Unheimliches, Nebel umwaberte die alten Kühlschränke und die Reihen sonderbarer Gartenplastiken. Das Haus war dunkel und wirkte abweisend. In der Ferne heulten Kojoten.
Nasser schloss auf und schaltete das Licht in der Diele ein.
Vince ging in das Zimmer mit den Aktenschränken, die so dicht aneinander standen, dass er sich kaum durchquetschen konnte.
Ich hebe jedes Schriftstück auf , hatte Zahn gesagt.
Bei der Durchsuchung des Hauses am Vormittag hatte er nicht daran gedacht, weil sie da einen Mann suchten, kein Dokument. Nicht einmal Zander Zahn hätte versucht, sich in einem Aktenschrank zu verstecken.
Als er schließlich darauf kam, erschien es ihm so naheliegend, dass er sich selbst hätte ohrfeigen können. Wenn Marissa Haleys Geburtsurkunde an einem Ort hatte aufbewahren wollen, an dem niemand danach suchen würde, was war dann besser geeignet als das Haus eines Sammelwütigen? Und Zander, der sie vergötterte, völlig fasziniert von ihr war, würde das Dokument nur allzu bereitwillig versteckt und keiner Menschenseele ein Wort gesagt haben. Er war Marissa treu ergeben.
Die Schränke waren mit Papieren zu jedem denkbaren Thema vollgestopft. Eine Reihe, die bestimmt mehr als vier Meter lang und eineinhalb Meter hoch war, enthielt nichts außer mathematischen Berechnungen. Offenbar jede, die Zahn in seinem Leben jemals durchgeführt hatte.
Schrank für Schrank war zum Bersten gefüllt mit den papiernen Überbleibseln aus Zahns Leben und allem anderen, was er merkwürdig, interessant, aufbewahrenswert oder wichtig gefunden hatte. Selbstverständlich alles in alphabetischer Reihenfolge oder nach einem anderen Prinzip geordnet. Unmengen davon. Schränke mit Abrechnungen, Kopien von Krankenblättern, Artikel über das Wesen des Genies und das Mysterium des Autismus und verwandter Störungen.
»Kann ich Ihnen helfen?«, fragte Nasser.
»Ich suche nach Unterlagen, die Marissa oder Haley Fordham betreffen.«
»Gut, ich fange da drüben an.«
Schweigend arbeiteten sie vor sich hin, Stunden, wie es schien. Gerade als Vince das Gefühl hatte, dass seine Augen in dem spärlichen Licht allmählich den Dienst versagten, wurde er fündig. Der Aktendeckel war mit einem schlichten M. gekennzeichnet. Er zog ihn aus dem Fach und überflog das Schriftstück.
»Was ist das?«, fragte Nasser und versuchte, einen Blick darauf zu werfen.
Vince klappte den Aktendeckel zu. »Das Motiv.«
Er nahm den Aktendeckel mit ins Krankenhaus und machte sich auf die Suche nach Mendez. Er fand ihn auf der Intensivstation, wo er, neben sich Darren Bordain, durch die Glasscheibe in Gina Kemmers Zimmer sah.
»Wie geht es ihr?«, fragte Vince.
»Keine Veränderung. Nicht besser, nicht schlechter«, sagte Mendez. »Wir haben ihre Familie in Reseda ausfindig gemacht. Ihre Eltern sind unterwegs.«
»Gut. Vielleicht bringt es etwas, wenn sie ihre Stimmen hört.«
»Ich wollte zu ihr und mit ihr reden«, sagte Bordain.
»Nur ihre Familie darf zu ihr«, sagte Mendez.
»Meine Freunde
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