Eine verräterische Spur: Thriller (German Edition)
in ihrer braunen Tweed-Reiterjacke und mit den dunkelbraunen Handschuhen den Eindruck, als würde sie jeden Augenblick aufs Pferd steigen, um eine Fuchsjagd anzuführen. Sie bat die Zuschauer um Hinweise, die zur Verhaftung von Marissa Fordhams Mörder führen könnten. Dafür hatte sie aus eigener Tasche eine Belohnung von 25 000 Dollar ausgesetzt.
»Wer hat ihr gesagt, dass sie das darf?«, fragte Mendez und blickte zu Dixon.
»Warum schauen Sie mich an?«, erwiderte der Sheriff. »Ich habe ihr mehr als einmal gesagt, dass wir uns um alles kümmern.«
»Hat sie gestern Abend irgendetwas von einer Belohnung erwähnt?«, fragte Vince.
»Sie hat es angeboten«, sagte Dixon. »Ich habe ihr erklärt, dass wir das erst mal besprechen müssen und uns bei ihr melden.«
»Na, wenigstens wissen wir jetzt, was sie auf Ihre Meinung gibt«, sagte Hicks.
»Ihr kommt wahrscheinlich gar nicht in den Sinn, dass sie für so etwas eine Erlaubnis braucht«, sagte Vince. »Sie geht davon aus, dass sie uns damit hilft.«
Eine Belohnung war ein Instrument. Ob sie eine Belohnung aussetzten, wann sie es taten und in welcher Höhe, das waren Entscheidungen, die mit Sorgfalt getroffen werden mussten. Eine zu früh ausgesetzte und zu hohe Belohnung verführte geldgierige und rachsüchtige Leute dazu, jemandem, den sie nicht ausstehen konnten, etwas anzuhängen. Wenn es dabei auch noch um die Summe von 25 000 Dollar ging, würden die Telefone nicht mehr aufhören zu klingeln und sie würden unzählige Hinweise erhalten, die nirgendwohin führten.
»Was halten Sie davon, Vince?«, fragte Dixon.
Leone fuhr sich durch seine grau melierten Haare und stieß einen tiefen Seufzer aus. Er sah jämmerlich aus – bleich und erschöpft. Es war eine lange Nacht gewesen. Anne hatte sich geweigert, Haley Fordham alleinzulassen. Vince hatte sich geweigert, Anne alleinzulassen. Daher hatte er die Nacht auf einem Stuhl im Zimmer des kleinen Mädchens verbracht.
Mit schlechtem Gewissen setzte sich Mendez Vince gegenüber an den Tisch. Vince hob die Hände und zuckte mit den Schultern.
»Daran lässt sich wohl nichts mehr ändern«, sagte er. »Stellen Sie ein paar zusätzliche Leute zum Telefondienst ab, und machen Sie sich darauf gefasst, jede Menge Zeit und Energie zu verschwenden.«
»Wie wird der Täter darauf reagieren?«, fragte Hamilton.
»Schwer zu sagen. Noch sollten wir davon ausgehen, es mit einem Ersttäter zu tun zu haben«, sagte Vince. »Ein Serienmörder würde es als Herausforderung begreifen oder als Grund zu triumphieren. Wenn wir dermaßen mit Geld um uns werfen, müssen wir ganz schön verzweifelt sein. Vielleicht brächte es ihn auf die Idee, mit uns zu spielen und uns ein neues Opfer vor die Füße zu werfen.
Aber wenn Marissa Fordhams Mörder jemand war, den sie kannte und der im Streit die Kontrolle über sich verloren hat – und diesen Eindruck habe ich –, dann wird er sich entweder möglichst still verhalten, oder er wird versuchen herauszufinden, was wir in der Hand haben, und durch irgendwelche falschen Hinweise Einfluss auf die Ermittlungen zu nehmen. Bei einem solchen Täter muss man vor allem Angst davor haben, dass er nervös wird und jemandem ans Leben will, den er für eine Bedrohung hält – jemand aus seinem Bekanntenkreis, der etwas weiß oder vermutet.«
»Jemand, der scharf auf die Belohnung ist«, sagte Dixon.
»Wir könnten es also mit einem weiteren Mord zu tun bekommen«, meinte Trammell.
»Die Möglichkeit besteht. Wir können nur hoffen, dass sich dieser Jemand bei uns meldet, bevor der Täter ihm etwas antut.
Wenn der Mörder das Opfer kannte und er noch nie einen Mord begangen hat, wird er nicht wissen, wie er mit den Emotionen, die eine solche Tat wachruft, umgehen soll. Freunde könnten eine charakterliche Veränderung an ihm bemerken. Er könnte plötzlich launisch und reizbar sein, depressiv. Er könnte sein Aussehen verändern – sich einen Schnurrbart wachsen lassen oder den Vollbart, den er hat, abrasieren …«
»Um sich zu tarnen?«, fragte Hicks.
»In gewisser Weise«, sagte Vince. »Um sich vor sich selbst zu tarnen. Ich bin überzeugt, dass ein solcher Mensch nach der Tat nicht mehr in den Spiegel schauen kann, und zwar buchstäblich, so dass er sein Aussehen verändert. Oder andersherum, er verändert sein Aussehen, um der Rolle zu entsprechen. Wenn er schon zum Mörder geworden ist, sollte er auch wie ein Verbrecher aussehen.
Ich erinnere mich an einen Fall, bei dem der
Weitere Kostenlose Bücher