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Eine verräterische Spur: Thriller (German Edition)

Eine verräterische Spur: Thriller (German Edition)

Titel: Eine verräterische Spur: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tami Hoag
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eintrat. »Braucht Dr. Zahn einen Anwalt?«
    »Ich wüsste nicht, warum«, sagte Vince.
    Nasser ging ins Haus, und Vince wanderte über den Hof und sah sich die verschiedenen Sammlungen an. Die Mauer lief um das gesamte Grundstück, aber an einer Seite gab es ein zweites Tor. Der Pfad dorthin war ausgetreten. Das war vermutlich der Weg, den Zahn jeden Morgen zu Marissa Fordhams Haus gegangen war.
    Vince trat durch das Tor und folgte dem Pfad einen Hügel hinauf, wo er auf einen Forstweg stieß. Diese Forstwege wurden außer von Waldarbeitern auch von der Feuerwehr mit ihren Löschfahrzeugen genutzt, wenn im Sommer und Herbst in den Hügeln Waldbrände ausbrachen. Er folgte dem Weg zur Kuppe eines der höheren Hügel. Unter ihm breitete sich eine wunderschöne Landschaft aus: Die goldenen Hügel erstreckten sich bis zum Horizont, hier und da gesprenkelt mit den dunklen Kronen von Eichen. Er hatte viele Jahre in Virginia gelebt, wo die Felder und Wiesen üppig grün waren, der Inbegriff von ländlicher Schönheit, aber diese Gegend hier hatte einen ganz eigenen Reiz.
    Im Süden konnte er Marissa Fordhams Haus erkennen, das aussah wie auf einem Gemälde von Andrew Wyeth – weiß und grau gegen das Weizengelb der Felder ringsum. Hundert Meter weiter westlich waren die Überreste einer Ranch auszumachen. Sie musste abgebrannt sein. Dort, wo offenbar einmal das Wohnhaus gestanden hatte, waren nur noch ein paar verkohlte Balken zu sehen. Ein trostloser, verlassener Ort.
    Nach einer Weile drehte er sich um und kehrte zurück zu Zahns Grundstück, wo er das Seitentor schloss, dann schob er das Eingangstor auf und trat auf die Straße.
    Völlig erschöpft stieg er in sein Auto und fuhr zurück in die Stadt, ohne zu ahnen, dass er in fast greifbarer Nähe zu Gina Kemmer gewesen war.

46
    Gina stieß einen Schrei aus, der aus ihrem tiefsten Inneren kam. Die Ratte reagierte nicht einmal. Furchtlos und mit zuckender Schnauze kam sie auf Gina zu, die schwarzen Augen starrten sie an.
    »Nein. Nein! Nein!«
    Gina tastete mit ihrer Rechten den Boden ab, bis sie eine Milchpackung zu fassen bekam. Sie warf damit nach der Ratte und verfehlte sie, aber wenigstens hatte sie sie erschreckt.
    Die Ratte huschte davon und verschwand unter den Schichten von Müll.
    Seit wie vielen Jahren die Leute wohl schon ihren Müll in den Schacht warfen? Was wohl alles in dem Müll lebte? Käfer. Würmer. Mäuse. Ratten. Wenn in Südkalifornien irgendwo Ratten und Mäuse auftauchten, waren Schlangen nicht weit – Klapperschlangen.
    Bei der Vorstellung, dass sich unter ihr Schlangen wanden, musste sie sich beinahe wieder übergeben. Die Angst schnürte ihr die Luft ab. Was sollte sie nur tun?
    Bei jedem noch so leichten Atemzug schoss ein rasender Schmerz durch ihre verletzte Schulter. Jedes Mal, wenn sie sich zu bewegen versuchte, hatte sie das Gefühl, als risse ihr jemand den Fuß noch ein wenig mehr vom Unterschenkel weg. Sie wurde beinahe ohnmächtig.
    Wie gelähmt lag sie auf dem stinkenden Müll und versuchte, einen klaren Gedanken zu fassen.
    Sie war nie besonders mutig gewesen. Sie hatte noch nie Abenteuerlust in sich verspürt. Sie hatte nie die Nerven gehabt, ein Leben am Rande des Abgrunds zu führen. Marissa war so gewesen, aber Marissa war tot. Marissa konnte ihr nicht helfen, konnte sie nicht anleiten, konnte sie nicht dazu bringen, an ihre Grenzen zu gehen. Aber das war nötig, wenn sie überleben wollte. Als Erstes musste sie sich aufsetzen, um sich umschauen zu können.
    Auf drei …
    Die rechte Hand im Nacken, stieß sie die Luft aus und versuchte, ihren Oberkörper aufzurichten. Es war, als würde ihr jemand ein glühendes Eisen in die linke Schulter rammen. Gina schrie auf und ließ sich die wenigen Zentimeter zurückfallen, die sie ihre Schulter hatte heben können. Das hatte sie davon, dass sie nicht öfter zur Gymnastik gegangen war.
    Versuch es noch mal. Auf drei …
    Wie ein Gewichtheber, der eine Hantel über seinen Kopf stemmt, brüllte sie, als sie es erneut probierte. In ihren Schläfen pochte es, und ihr Blutdruck schoss in die Höhe.
    Du schaffst es! Du schaffst es!
    Es war Marissas Stimme, die sie antrieb.
    Gina schrie auf. Grelle Farben explodierten hinter ihren zusammengepressten Augenlidern. Und dann saß sie – ihr war schwindlig und schlecht, sie schwitzte und fühlte sich schwach, aber sie saß. Vorsichtig zog sie ihr unverletztes linkes Bein an, legte ihren rechten Arm darum und presste die Wange gegen das Knie.

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