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Eine verräterische Spur: Thriller (German Edition)

Eine verräterische Spur: Thriller (German Edition)

Titel: Eine verräterische Spur: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tami Hoag
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begreifen würde, dass sich andere für ihn interessierten, würde er sich vielleicht ändern. Schaden konnte es nicht, wenn sie ein bisschen nett zu ihm war.
    Das hoffte sie jedenfalls …

48
    Lächelnd beobachtete Vince, wie sich Haley die Sesamstraße ansah. Die Freude und die Begeisterung in ihren Augen, wie sie sich unbewusst mit den Figuren mitbewegte und – völlig falsch – mitsang, sagten viel über ihre Unschuld und ihr Erstaunen über die Welt aus.
    Diese Phase hatte er bei seinen Töchtern verpasst. Dank endloser Überstunden und vieler Reisen im Auftrag des FBI hatte er zwar eine beeindruckende Karriere gemacht, aber die war eindeutig auf Kosten seines Familienlebens gegangen. Er wäre froh, wenn er eine zweite Gelegenheit bekäme und ein besserer Vater sein könnte.
    Nicht dass er keinen Kontakt zu seinen Töchtern hatte. Seit seiner schweren Verletzung hatten sie sich alle bemüht, ihre Beziehung zu intensivieren und mehr füreinander da zu sein.
    Anne hatte ihn letzten Winter zu einem Treffen mit seinen Töchtern nach Virginia begleitet. Vince war reichlich nervös gewesen. Anne stand ihnen im Alter näher als ihm. Er hatte sich Sorgen gemacht, dass sie denken könnten, er steckte mitten in einer Midlife-Crisis und hätte sich deswegen eine so viel jüngere Frau genommen, seinen Job beim FBI an den Nagel gehängt und sich in Kalifornien niedergelassen.
    Zunächst hatten sie tatsächlich so reagiert. Amy, gerade sechzehn geworden, hatte nur wenige Erinnerungen an die Streitereien zwischen ihren Eltern und hegte mehr Ressentiments gegen ihn als die zwei Jahre ältere Emily. Ihre Beziehung war nach wie vor schwierig, aber immerhin waren beide Mädchen zur Hochzeit gekommen. Er hielt es für ein gutes Zeichen, dass sie bereit waren, sein neues Leben zu akzeptieren.
    Er streckte sich in seinem lederbezogenen Fernsehsessel aus – dem Häuptlingssitz, wie Anne ihn nannte –, der in dem gemütlichen Wohnzimmer mit den braun gestrichenen Wänden und dem wollweißen Teppich stand. Er war erschöpft und noch immer mitgenommen von der Begegnung mit Zander Zahn. Zu allem Überfluss würde er einen hässlichen Bluterguss auf der Wange davontragen.
    Haue von einem Pauker. Er konnte die Witze der Jungs im Büro des Sheriffs förmlich hören. Nicht dass an Zahns Zusammenbruch irgendetwas lustig wäre.
    Seufzend schloss er die Augen, um ein paar Minuten auszuruhen. Nach dem langen Tag brummte ihm der Schädel. Wundersamerweise ließ der Schmerz sofort nach, wenn er sich entspannte und einige der Atemtechniken anwandte, die ihm der Schmerztherapeut gezeigt hatte. Ganz verschwand er nur selten, stattdessen lauerte er in irgendeiner Hirnwindung, um Vince ständig daran zu erinnern, dass er jederzeit wieder hervorkommen und ihn überwältigen konnte.
    Langsam kehrte Vince von seinem inneren Rückzugsort zurück und spürte, dass er beobachtet wurde. Als er die Augen aufschlug, sah er direkt in Haleys Augen. Sie stand mit ihrem Hasen unterm Arm neben seinem Sessel.
    »Hallo«, sagte Vince.
    »Du hast geschlafen«, sagte Haley mit ihrem Reibeisenstimmchen.
    Er fragte sich, ob sie diese Erinnerung an ihre Tortur jemals loswerden würde. Wenigstens würden die Blutergüsse an ihrem Hals verschwinden.
    »Musst du auch tagsüber schlafen?«, fragte sie.
    »Ich schlafe gerne.«
    »Ich nicht.«
    »Nein? Warum denn nicht?«
    Mit ernster Miene schüttelte sie den Kopf. »Nur Babys schlafen tagsüber.«
    »Ich bin doch auch kein Baby.«
    »Nein.« Ihr Mund verzog sich zu einem schiefen Grinsen. »Du bist der Daddy. Warum hast du keine Kinder?«
    »Weil Anne und ich gerade erst geheiratet haben. Wir hatten noch keine Zeit dafür.«
    Sie überlegte kurz und fand die Erklärung offenbar vernünftig. »Wo ist Anne?«
    »Sie musste zu einer Besprechung. Sie wird bald zurück sein.«
    »Ich mag Anne. Sie spielt immer mit mir«, sagte sie, so als würden sie und Anne sich schon seit Ewigkeiten kennen.
    Sie hatte offenbar keine Scheu vor Fremden. Ihre Mutter war allerdings auch eine sehr gesellige Frau mit vielen Bekannten und Freunden gewesen, denen Haley regelmäßig begegnet sein musste. Vermutlich gab es keinen Grund für sie, Angst vor Erwachsenen zu haben. Vince fragte sich, ob sich das ändern würde, wenn die Erinnerung an das Geschehen zurückkehrte. Wahrscheinlich.
    »Spielst du auch mit mir?«, fragte sie.
    »Klar«, sagte Vince. »Was wollen wir denn spielen?«
    »Wir spielen, dass du der Daddy bist und ich das kleine

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