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Eine Versammlung von Krähen (German Edition)

Eine Versammlung von Krähen (German Edition)

Titel: Eine Versammlung von Krähen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Keene
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hätte fast einen Herzinfarkt gekriegt. Und der kleine Bobby Sullivan stand kurz davor, sich in die Hose zu pinkeln. Musste das sein?«
    »Wir wollten nur wissen, ob es dir gut geht«, erklärte Paul, als Axel sie ins Haus ließ. »Wie kommst du zurecht, alter Mann?«
    Axel schloss die Tür hinter ihnen und schob den Riegel vor. »Wir haben Angst und wissen nicht, was los ist. Gibt’s irgendwas Neues?«
    »Ja«, antwortete Paul. »Aber leider nichts Erfreuliches.«
    »Kommt mit runter in den Keller und erzählt uns davon. Dort ist es sicher, wenn auch ein bisschen kalt. War ja fast zu erwarten, dass auch der verfluchte Kerosinofen nicht funktioniert.«
    Paul zögerte. »Wir können nicht lange bleiben, Axel. Wir haben das Licht im Keller brennen gesehen und dachten, wir schauen mal nach, wie es dir geht. Übrigens, du solltest die Kerzen besser ausblasen. Man kann sie von der Straße aus flackern sehen. Wie schon gesagt, wir haben keine Zeit zum Plaudern. Wir wollen uns auf den Weg machen, um Hilfe zu holen.«
    »Ich hab da unten eine Flasche Whiskey. Normalerweise trinke ich ja nicht, aber vielleicht mach ich eine Ausnahme, wenn ihr drei mit mir anstoßt.«
    Gus grinste. »Ich schätze, eine kurze Pause können wir einlegen, oder, Paul?«
    Seufzend zuckte der Angesprochene mit den Schultern und folgte den anderen in den Keller. Nicht zum ersten Mal musste er an seine Hunde denken. Er hoffte, dass es ihnen gut ging.
    Joel Winkler saß mit untergeschlagenen Beinen auf seinem gepolsterten Lehnsessel und ließ die Atmosphäre des Wohnzimmers auf sich wirken. Ohne Licht wirkte der Raum völlig verändert, beinahe fremd. Joel hatte rund um die Uhr mindestens eine Lampe brennen, und sei es nur die kleine Neonröhre im Bad neben dem Schlafzimmer. Er hasste es, in der Dunkelheit umherstolpern zu müssen.
    Nicht nur über die Lichter hatte sich Richard ständig beschwert.
    Er vermisste Richard. Es verging kein Tag, an dem Joel nicht an ihn denken musste, aber im Augenblick dachte er noch häufiger an ihn.
    Sie hatten sich am College kennengelernt. Vor seinem ersten Studienjahr hatte Joel Brinkley Springs und der näheren Umgebung nicht ein einziges Mal den Rücken gekehrt. Richard dagegen stammte aus Kalifornien und war schon fast überall auf der Welt gewesen. Sie saßen im Psychologieunterricht nebeneinander, schlossen Freundschaft und fingen an, auch ihre Freizeit miteinander zu verbringen. Innerhalb weniger Tage entwickelte sich aus Freundschaft eine Romanze. Nach dem Abschluss war Richard nach Kalifornien zurückgekehrt, und Joel, der keinen Job finden konnte, strandete wieder in Brinkley Springs. Er war deprimiert und niedergeschlagen gewesen, bis zwei Monate später Richard mit einem Umzugswagen vor seiner Tür stand.
    Knapp über ein Jahrzehnt hatten sie zusammengelebt. Joel wusste, dass die Leute hinter ihrem Rücken tuschelten, aber es kümmerte ihn nicht sonderlich. Einige Bewohner der Kleinstadt waren offen schwulenfeindlich, kaum zu glauben in der heutigen Zeit, aber die meisten bloß neugierig. Soweit er wusste, lebten in Brinkley Springs keine anderen gleichgeschlechtlichen Paare. Nicht dass sie es jemals an die große Glocke gehängt hatten, ein Paar zu sein. Joel wollte es nicht und zog es vor, den Leuten Richard als Mitbewohner vorzustellen. Das gab letztlich den Ausschlag dafür, dass Richard ihn ein zweites Mal verließ – Joels unerschütterliche Weigerung, sich zu outen und ihre Beziehung offen auszuleben und zu seinem Partner zu stehen.
    Ohne Richard war seine Leidenschaft jeden Tag ein Stückchen mehr gestorben.
    Melancholisch begann Joel, Gordon Lightfoots If You Could Read my Mind zu summen. Es war ihr gemeinsames Lied gewesen.
    Er schielte mit feuchten Augen zum Foto auf dem Beistelltisch. Es war vor vier Jahren im wunderschönen Cass Scenic Railroad State Park in der Nähe von Bald Knob aufgenommen worden. Auf dem Schnappschuss lächelten Richard und er um die Wette, die Arme liebevoll um die Schultern des anderen gelegt. Den Hintergrund bildete ein buntes Kaleidoskop von Herbstblättern. Joel hatte das Foto mit dem Selbstauslöser seiner Kamera geschossen. Der Name des Bergs – Blanker Prügel – war während der ganzen Wanderung immer wieder Auslöser für zweideutige Anspielungen gewesen. Am späteren Abend hatten sie in einer gemieteten Hütte auf dem Gipfel ihre bislang heißeste Nacht miteinander verbracht und fielen regelrecht übereinander her.
    Alles andere in der schummrigen Umgebung

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