Eine Versammlung von Krähen (German Edition)
nickte.
»Dann muss er es gewesen sein. Ich beobachtete, wie drei junge Leute aus einem Haus rannten. Und du bist der festen Überzeugung, dass er nichts von seinen besonderen Talenten weiß?«
»Ja, absolut. Wieso fragst du?«
»Bei unserer Begegnung gelang es ihm, den Motor von zwei Fahrzeugen in Gang zu setzen. Dann sind die drei zusammen weggefahren. Ich ging bislang davon aus, es wäre der Magus, dessen Präsenz wir im Vorfeld gespürt hatten. Von einem zweiten ahnte ich nichts.«
Sie verstummten und senkten nachdenklich die Häupter. Nach einer Weile ergriff der Erste das Wort.
»Zwei Gegner. Wir müssen ungemein vorsichtig sein, Brüder.«
»Es ist nicht von Belang«, warf der Zweite ein. »Einer von ihnen weiß nicht, wie er seine Fähigkeiten nutzen kann, der andere hat uns seinen Namen verraten. Wir heben uns ihre Seelen bis zuletzt auf, dann tun wir uns daran gütlich und können gesättigt wieder in einen tiefen Schlaf versinken.«
»Das wird schon bald der Fall sein«, entgegnete der Vierte. »Ich spüre, dass die Stadt beinahe ausgelöscht ist. Nur noch wenige Menschen sind am Leben. Die meisten halten sich in Gruppen versteckt, was ihr Schicksal noch schneller besiegeln dürfte.«
Der Erste hob die Arme. »Nutzen wir die Zeit, um die Nacht und ein Bankett zu genießen, ehe die Morgendämmerung einsetzt. Lasst uns diese Aufgabe zu Ende bringen.«
Acht
»Schau mal da rüber.« Gus stupste seinen Bruder mit dem Ellbogen an und nickte in Richtung von Axels Haus.
Zu dritt kauerten sie hinter Ray Dillingers heruntergekommenem Hühnerstall. Ray war vor zwei Jahren den Komplikationen seiner Diabeteserkrankung erlegen, seitdem stand das Anwesen leer. Der Stall müffelte nach Exkrementen. Auf dem Weg durch die Straßen waren sie auf weitere Leichen gestoßen, allerdings nicht so viele, wie sie erwartet hatten. Stattdessen verteilten sich kleine Aschehaufen über Straßen, Gehwege und Gärten. Niemand von ihnen fand eine Erklärung dafür, doch der Anblick beunruhigte sie. Als noch weitaus beunruhigender empfanden sie die allgegenwärtige Stille. Seit einigen Minuten waren die Schreie schlagartig verstummt.
»Was ist denn?« Mit gerunzelter Stirn sah sich Greg um.
Gus zeigte noch einmal hin. »In Axel Perrys Keller brennt Licht.«
Greg und Paul spähten in die angegebene Richtung. Tatsächlich sickerte ein matter, sanfter Schein aus dem auf Bodenhöhe angebrachten Kellerfenster.
»Aber der Strom ist doch ausgefallen«, flüsterte Greg.
»Das dürfte Kerzenlicht sein«, sagte Paul. »Seht ihr, wie es flackert?«
»Glaubt ihr, es geht ihm gut?«, fragte Gus. »Ich mag den alten Axel.«
»Ich auch«, pflichtete Paul ihm bei. »Er ist ein anständiger Kerl. Irgendwie was Besonderes, ein echtes Original.«
»Wir sollten mal bei ihm nach dem Rechten sehen«, fand Greg. »Uns vergewissern, dass es ihm gut geht. Ich meine, der Gute hat schließlich schon etliche Jahrzehnte auf dem Buckel. Nicht dass er im Dunkeln hingefallen ist oder kurz vor ’nem Herzinfarkt steht.«
»Gute Idee«, meinte Gus. »Wir könnten ihn mitnehmen, damit er aus Brinkley Springs wegkommt.«
Paul schüttelte den Kopf. »Wir können checken, ob bei ihm alles in Ordnung ist, dagegen habe ich nichts einzuwenden. Aber bei unserer Flucht wäre er nur ein Klotz am Bein. Klingt hart, aber er würde uns aufhalten. Ich bin selbst nicht mehr der Jüngste, und mein Herz rast, als wollte es aus der Brust springen. Ich will mir gar nicht vorstellen, in welcher Verfassung sich Axel gerade befindet.«
»Scheint mir nicht richtig zu sein«, befand Greg, »einen hilflosen, alten Mann zurückzulassen.«
»Mir gefällt es auch nicht«, erwiderte Paul. »Aber denk doch mal drüber nach. Wenn’s hart auf hart kommt, zählt jede Sekunde. Vielleicht müssen wir kämpfen oder schnelle Entscheidungen treffen. Es lässt sich unmöglich abschätzen, was uns erwartet. Im besten Fall bremst er uns nur, im schlimmsten Fall verletzt er sich ernsthaft, dann wären wir völlig im Arsch. Besser, wir lassen ihn in seinem Haus zurück, als ihn draußen auf irgendeinem Feld den Krähen zum Fraß zu überlassen.«
Gus nickte. »Gutes Argument.«
»Mir gefällt das trotzdem nicht«, erklärte Greg.
»Einwand zur Kenntnis genommen.« Paul stand auf. »Falls es dich tröstet, ich würde meine Hunde auch lieber mitnehmen, aber es geht nun mal nicht anders. Und jetzt lasst uns keine weitere Zeit verschwenden. Gucken wir rasch bei Axel vorbei. Stellen wir
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