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Eine Vielzahl von Sünden

Eine Vielzahl von Sünden

Titel: Eine Vielzahl von Sünden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Ford
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mit heftigen Gefühlsaufwallungen und plötzlichem Gelächter. Ich hatte das nicht immer gemocht, aber ich hatte mir überlegt, erwachsene Männer seien wohl so, und es akzeptiert.
    »Möchtest du später mal reisen?«, fragte mein Vater und überging seine andere Frage, wobei er zum Himmel hochschaute, als hätte er gerade erst gemerkt, dass er auf Entenjagd in einem Erdsitz hockte, und wäre zumindest eine Sekunde lang an dem beteiligt, was wir da machten. Sein Mantel war wieder aufgegangen, und seine schlammverschmierte Frackbrust wurde sichtbar. »Solltest du nämlich«, sagte er, bevor ich antworten konnte.
    Da begann Renard Junior zu paken, er hockte sich vor seine Obstkiste und machte den Entenruf nach. Und weil er das tat, hockte ich mich vor meine, und mein Vater sah das und ging ebenfalls in die Knie, das Gesicht nach unten gewandt. Nicht lange nachdem Renard gepakt hatte, lugte ich über die Strohwand hinweg und sah zwei schwarzgefiederte Enten, die direkt vor unserem Erdsitz herflogen, flach über unsere Lockenten hinweg. Renard Junior änderte seinen Ruf zu einer Art abgebrochenem Schnattern, und sofort schwenkten die Enten seitwärts und flatterten eiligst weg von uns, fast als könnten sie rückwärts fliegen.
    »Sie haben nicht aufgepasst, die haben Sie gesehen«, sagte Renard mit heiserem Flüstern. »Das weiße Gesicht.«
    Neben ihm in der Hocke konnte ich seinen Atem riechen – einen Geruch nach Zigaretten und faulem Fleisch, der in seinem Mund bestimmt schrecklich schmeckte.
    »Weiterpaken, verflucht, Fabrice«, sagte mein Vater darauf – schrie es eigentlich. Ich verdrehte den Hals, um ihn anzuschauen. Er war aufgesprungen, Flinte an der Schulter, der Mantel lag am Boden, so dass er im Frack dastand. Ich schaute hinaus zu unseren Attrappen und sah vier kleine Enten, die gerade die Flügel anlegten und zu der offenen Stelle glitten, die Renard im Wasser gelassen hatte. Ihre Flügel machten ein sirrendes Geräusch.
    Renard Junior fing sofort wieder mit seinem Schnatterruf an, immer noch in der Hocke vor seiner Obstkiste und das Gesicht nach unten gewandt. »Schieß sie ab, Buck, schieß sie«, rief mein Vater, und ich stand auf und legte die schwere Flinte an und schoss, ohne es eigentlich zu wollen, beide Läufe ab, zog beide Abzüge gleichzeitig durch, während mein Vater (der irgendwann nachgeladen hatte) erst den einen, dann den anderen Lauf auf die Enten abfeuerte. Die hatten das Wasser nur kurz berührt und waren schon wieder im Abflug, stiegen immer höher empor wie die anderen zuvor, rückwärts weg von uns, mit lang gestreckten Hälsen, und ihre Augen – so kam es mir jedenfalls vor, der ich noch nie eine Ente geschossen hatte – waren aufgerissen und voller Angst.
    Meine gleichzeitig abgeschossenen Kugeln hatten eine von Renards Lockenten getroffen und zertrümmert. Die beiden Schüsse meines Vaters hatten anscheinend überhaupt nichts getroffen, allerdings segelte einer der grauen Papierklumpen aus den Schrotpatronen herab, während die vier Enten in der Entfernung immer kleiner wurden, bis die Jäger gegenüber auf sie schossen und zwei von ihnen trafen.
    »Das war ja absolut furchtbar«, sagte mein Vater. Er stand am einen Ende des Erdsitzes in seinem Frack, das blonde Haar dicht an seinen Kopf geklatscht, so dass er einem Kind ähnelte. Auf der Stelle knackte er die Flinte auf und ersetzte die verbrauchten Patronen durch zwei neue aus seiner Fracktasche. Er wirkte nicht mehr betrunken, sondern vollkommen bei der Sache und hellwach, abgesehen davon, dass er voll danebengetroffen hatte.
    »Ihr habt ja geschossen wie die Omas«, sagte Renard angewidert und schüttelte den Kopf.
    »Leck mich«, sagte mein Vater ruhig und schloss mit bedrohlicher Geste seine wunderschöne italienische Flinte wieder. Er weitete seine blauen Augen und kniff sie wieder zusammen, und ich glaubte einen Moment lang, er würde gleich auf Renard Junior zielen. Weißer Speichel hatte sich in einem Mundwinkel gesammelt, und sein Gesicht, eben noch so bei der Sache, war jetzt blass und feucht und empört. »Wenn ich deine Dienste für etwas anderes als Paken brauche, rede ich mit deinem Besitzer«, sagte er.
    »Red erst mal mit deinem eigenen Besitzer, Schnutzi«, sagte Renard Junior, und dann schaute er mich an, hob die Augenbrauen und grinste, wobei er seine schweren Lippen vorschob, grausam und äffisch.
    »Das reicht «, sagte mein Vater laut. »Das reicht jetzt aber wirklich.« Ich dachte, gleich langt er an

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