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Eine Vorhaut klagt an

Eine Vorhaut klagt an

Titel: Eine Vorhaut klagt an Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shalom Auslander
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um, schaute am Stein der Pornographie nach (nichts) und kehrte nach Hause zurück.
    – Kchrrgsk, sagte mein Vater, als ich ins Haus trat.
    Ich mochte Sabbat nicht.
    Der Samstagabend war nicht viel besser. – Gesegnet seist Du , beteten wir am Ende des Sabbats, – der Du zwischen dem Heiligen und dem Profanen scheidest . Mein Bruder wohnte im Wohnheim seiner Highschool und kam nur am Wochenende nach Hause. Samstagabend, wenn er ging, winkte die Freiheit der kommenden Woche, und dann stritt er sich mit meinem Vater häufiger als sonst. Wenn Gott mich richtig hätte beeindrucken wollen, dann hätte Er meinen Bruder von meinem Vater getrennt. An jenem Abend kam es beinahe zu Handgreiflichkeiten. Sie standen Nase an Nase im Flur vor der Küche.
    – Ach, wirklich?, sagte mein Bruder.
    – Ach, wirklich, sagte mein Vater.
    – Wirklich wirklich?
    – Wirklich wirklich.
    Die wirkungslosen Ahnen meiner Mutter glotzten von ihren Fotos herab. Ts, ts , sagten sie. Noch vor Ende der Nacht hatte mein Vater den nagelneuen Karateanzug meines Bruders in den Holzofen gestopft und angezündet.
    – Der Sabbat, sagte Rabbi Blowfeld am nächsten Morgen, – ist wie eine Braut. – Wie ein Geschenk, sagte er. – Wie ein Bund.
    Rabbi Blowfeld zwirbelte seinen Bart und blickte einen Augenblick gedankenschwer zu Boden, um sich dann wieder der Klasse zuzuwenden.
    – Wie, fragte er uns, – ist der Sabbat noch?
    Wie eine Bestrafung? Wie ein Fluch? Wie ein makabrer Witz?
    – Wie eine zarte Blume?, brachte ich vor.
    Rabbi Blowfeld zwirbelte seinen Bart und blickte einen Augenblick gedankenschwer zu Boden, um dann wieder aufzuschauen.
    – Ja, sagte er. – Wie eine zarte Blume.
    Schmock.
    Dann sagte er uns, die Weisen hätten gesagt, den Sabbat einzuhalten sei, wie alle 613 Gebote der Tora einzuhalten, den Sabbat dagegen zu verletzen sei, wie alle 613 Gebote zu verletzen.
    Dumme Weisen. Sollen sie doch mal vierundzwanzig Stunden in einem Haus mit meiner Familie eingesperrt sein.
    Schönes Geschenk.
     
    Am Mittwoch gingen wir in die Mall.
    Die Nanuet Mall – mit ihrem Vierer-Multiplex, den zwei Elektronik-Läden, drei Rockmusikläden und dem weitläufigen nichtkoscheren Imbissbereich – war ein zweistöckiges, in sich geschlossenes Sodom mit Backsteintapete. Mütter gingen zu Bamberger’s und kauften unanständige Kleider, Väter gingen zu Sears und kauften Werkzeug, das mit dem Studium der Tora nichts zu tun hatte. Ältere Kids standen vor dem Haupteingang, rauchten Zigaretten und spuckten auf den Boden.
    – Dude, sagte einer.
    – Dude, antwortete ein anderer.
    – Scheiß drauf, sagte der Erste.
    – Scheiß drauf, antwortete sein Freund.
    Da wollte ich leben.
    Drinnen versuchten die jüngeren, in Spencer Gifts zu schleichen, wo es Furzkissen zu kaufen gab, Poster mit Mädchen, die auf Sportwagen saßen und enge Jeans und offene Blusen trugen, und Kulis mit Mädchen im Bikini drauf, der herunterrutschte, wenn man den Kuli verkehrt herum hielt.
    Aus dem ganzen Rockland County kamen die Leute in die Nanuet Mall. Die weißen Kinder trugen T-Shirts mit der Aufschrift »Ozzy« und »Deep Purple« und versammelten sich um die Spielhalle, wo sie sich dann prügelten. – Mal halblang, sagte der Wachmann. Die schwarzen Kinder fuhren mit dem BMX -Rad zur Mall und versammelten sich auf dem Parkplatz, wo laute Musik aus ihren gewaltigen tragbaren Radiorekordern dröhnte. – Macht das leiser, sagte der Wachmann. Die weißen Kinder nannten die Radiorekorder Nigger Boxes. Die schwarzen Kinder nannten die weißen Honkys . Alle lachten sie, wenn die Chassidim vorbeigingen.
    Wie es hier wohl samstags ist? , fragte ich mich.
    Meine Mutter ging zu Bamberger’s, und wir verabredeten uns auf eine Stunde später bei Waldenbooks. Ich huschte zu Spencer’s rein und probierte das Furzkissen aus, ging dann nach hinten und betrachtete die Poster mit Mädchen im T-Shirt, die sich mit einem Gartenschlauch abspritzten. Danach ging ich zu Waldenbooks, wo ich mich mit einem Stapel medizinischer Bücher auf den Boden setzte: Gray ’ s Anatomy, The Making of a Surgeon, The Time-Life Guide to the Skeletal System. Die Anatomie war zur Obsession geworden; falls Gott mich mit einer Krankheit töten wollte, kriegte ich vielleicht raus, wie ich mich davon heilen konnte. Ein Gramm Vorbereitung , stand auf dem Schild in Dr. Zismans Praxis, ist ein Pfund Heilung wert. Solche Wechselkurse gefielen mir.
    Nach einer Weile tippte meine Mutter mir auf die Schulter. Sie hatte

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