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Eine Vorhaut klagt an

Eine Vorhaut klagt an

Titel: Eine Vorhaut klagt an Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shalom Auslander
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Antisemiten.
    Ich fragte mich, wie wir ihnen wohl vorkamen, den Leuten in den Autos – samstagvormittags unterwegs auf den kurvigen, waldgesäumten Landstraßen von Rockland County, in Gedanken bei den vielen Lichtern, die sie an- und ausschalten, an das viele Fernsehen, das sie sehen, an das viele Schwein, das sie essen würden, als plötzlich sie – wir – da waren: Männer im schwarzen Anzug und Filzhut, Frauen in langen formellen Kleidern mit weißen Spitzendeckchen auf dem Kopf, kleine Jungen im kleinen blauen Anzug und kleinen weißen Hemd mit bunter Kappe, Mädchen im schicken Kleid und in glänzenden Schuhen, die da an der Straße entlanggingen; zu zweit, manchmal zu dritt nebeneinander, manche Männer in lange weiße Laken gehüllt, an deren Ecken weiße Schnüre baumelten, andere im Bademantel mit schwarzem Gürtel, auf dem kurz geschorenen Kopf einen kreisrunden Fellhut, und einer, ein Irrer mit silbernem Bart und wütendem rotem Gesicht, sprang auf die Straße und schwenkte die Arme und brüllte etwas von Judenumbringen.
    Der Fahrer jagte den Motor hoch, als wir auf die Carlton Road einbogen, die Reifen kreischten, als wir den Parkplatz der Synagoge verließen. Er schien es furchtbar eilig zu haben.
    Sechs dreizehn am Hals. Selbst wenn ich während der nächsten sieben Monate dreimal täglich betete, jeden Tag, konnte ich das nicht wiedergutmachen. Und wer wusste schon, wann Er kassieren kam? Wir fuhren an einer jüdischen Familie vorbei, einem Mann und seinen zwei Kindern, sie gingen die Straße entlang, und ich rutschte noch tiefer auf meinem Sitz und sah ihnen nach.
    So sehen wir also aus , dachte ich.
    Ich hielt mich am Türgriff fest, als der Fahrer scharf in die College Road einbog, die Reifen quietschten, als er Richtung Route 59 losbretterte. Wir flogen – hundert in der Fünfzigerzone – schlingernd, hupend übers Bankett.
    – Zu spät für die Synagoge?, fragte ich den Fahrer. – Hihi, im Ernst, keine Eile.
    Vielleicht war er ja ein Engel. Vielleicht war er ja Elia. Hatte Gott Elia geschickt, um mir eine Lektion zu erteilen?
    – Gib’s ihm, damit er über etwas nachdenken kann, hatte Gott ihm aufgetragen.
    Elia grinste irr und fuhr sich mit dem Finger über den Hals. Gott zuckte die Achseln.
    – Sieh halt zu, wie’s läuft, hatte Er gesagt.
    Elia fuhr schnell auf eine alte Frau in einem mattsilbernen Schrägheck auf, brauner Qualm quoll aus dem verrosteten Auspuff. Er stieg auf die Hupe und blinkte sie an, trat dann aufs Gas und scherte in den Gegenverkehr, um sie zu überholen. Die alte Frau sah uns stirnrunzelnd an. Elia hupte und zeigte ihr den Finger.
    Vielleicht doch nicht Elia.
    Unmittelbar vor einem Frontalzusammenstoß mit einem blauen Pick-up schwenkten wir auf unsere Spur zurück. Ich fragte mich, wie viele Sabbate mein Fahrer verletzt und warum Gott ihn noch nicht getötet hatte und ob er und auch ich am nächsten Wochenende wieder den Sabbat verletzen würden, als mir plötzlich einfiel, dass Rabbi Blowfeld gesagt hatte, die Weisen hätten gesagt, die Verletzung des Sabbats sei nicht nur wie die Verletzung aller 613 Gebote, auch die Einhaltung des Sabbats sei wie die Einhaltung aller 613 Gebote, und dann ging es mir plötzlich auf: Wenn ich den Sabbat dieses Wochenende verletzte, ihn aber am nächsten einhielt, würden wir dann nicht einigermaßen quitt sein?
    Ich lächelte. Aber hallo.
    Ich kicherte.
    Das war nicht einfach ein Schlupfloch – das war die Lizenz zum Verletzen. Ein »Einhalten«-Wochenende nach jedem »Verletzen«-Wochenende, und ich bin spirituell schuldenfrei.
    Die Weisen? Idioten!
    Wir näherten uns der Route 59, der vierspurigen Straße, die zur Nanuet führte, als der Fahrer aufs Gas stieg und ich gegen die Lehne geworfen wurde. Er wollte doch nicht etwa noch über die Ampel? Die war doch schon auf Gelb …
    Ich konnte den ganzen Januar einhalten und den ganzen Februar verletzen! Den Winter einhalten, den Sommer verletzen! Shaloms Weisen-beglaubigte Voll-Verletzungs-Sommer-Sünd-a-thon-Show!
    Rot jetzt, die Ampel. Autos schlichen auf die Kreuzung. Ein Bus …
    – Die Ampel!, schrie ich.
    Zum Teufel, vielleicht konnte ich ja auch ein kleines »Gebote-Sparkonto« einrichten – ein paar »Einhalten«-Wochenenden aneinanderreihen, einen kleinen Gebote-Notgroschen aufbauen. Einen Feiertagsfonds für schlechte Zeiten.
    Jetzt schneller. Lautes Hupen. Der Bus …
    – Die Ampel!, schrie ich wieder. – DIE AMPEL !
    Gleich starb ich. Scheiße, es war doch

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