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Eine Vorhaut klagt an

Eine Vorhaut klagt an

Titel: Eine Vorhaut klagt an Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shalom Auslander
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Ecke der Couch hinten in seinem Bürozimmer fallen lassen.
    – Dem wirst du wohl nie langweilig, wie?, meinte Craig. – Was ist jetzt?
    – Vorhaut, sagte ich.
    – Hey!, sagte Craig. – Glückwunsch!
    Craig hat zwei Söhne, und Fotos von ihnen schmücken seinen Schreibtisch, seinen Laptop, seinen iPod und sein Handy.
    Ich beugte mich vor und fuhr mir mit den Händen durch die Haare.
    – Ein beschissener Junge, sagte ich.
    – Dir ist natürlich klar, sagte Craig, – dass es Leute gibt, die gar keine Kinder kriegen können. Die mit allem zufrieden wären.
    – Das ist ja das Problem, antwortete ich. – Man muss etwas eben nicht wollen, damit Gott es einem gibt.
    Craig wandte sich wieder seinem Computer zu. Ich legte mit dem Hinweis nach, dass es völlig logisch sei – dass Leute, die ein Kind wollen, keines kriegen, Leute, die keines wollen, eines kriegen, ohne es auch nur zu versuchen, Leute, die einen Jungen wollen, ein Mädchen kriegen, Leute, die ein Mädchen wollen, einen Jungen kriegen, Leute, die eins wollen, Zwillinge kriegen, Leute, die Zwillinge wollen, Drillinge kriegen –, wenn das nicht der Beweis für die Existenz eines nichtgütigen Gottes sei, dann wisse ich auch nicht.
    – Hast du den Text für diese Radiokampagne?, fragte Craig.
    Ich fuhr mir mit den Fingern durch die Haare.
    – Jetzt hab ich diese verfluchte Vorhautscheiße.
    – Der Kunde möchte ihn noch am Nachmittag.
    Ich blickte zur Decke.
    – Vorhaut, sagte ich zu Gott. – Klasse.
    Craig ist ein netter Kerl, aber er war im Reformjudentum groß geworden. Theologisch gesehen habe ich mit einem Christen mehr gemein.
    – Wenn Er dir wirklich das Leben sauer machen wollte, fragte Craig, – warum bringt Er dich dann nicht einfach um?
    Ich prustete und schüttelte den Kopf.
    – Töten wird auf die Dauer langweilig, sagte ich. – Ein paar Sintfluten, und man hat es über. Warum töten, wenn man langsam foltern kann?
    – Daran hatte ich nicht gedacht.
    – Deshalb steht Er so auf diese endlosen miesen Heckenschüsse.
    – Auf dich, sagte Craig.
    – Ja, auf mich. Auch auf dich, du merkst es nur nicht.
    Ein Account Director kam in Craigs Büro; Craig sollte nach oben zum Executive Creative Director kommen, einem kleinen Mann mit dicker Zigarre. Craig blickte zur Decke.
    – Klasse, sagte er zu Gott.
    Ich ging in mein Büro und suchte im Netz nach Antworten. Ich erfuhr, dass die Beschneidung ein barbarisches Ritual sei. Ich erfuhr, dass diejenigen, die die Beschneidung für ein barbarisches Ritual hielten, Antisemiten seien. Ich erfuhr, dass diejenigen, die sagten, diejenigen, die die Beschneidung für ein barbarisches Ritual hielten, seien Antisemiten, eine alte Form des Kindesmissbrauchs fortsetzten. Ich erfuhr, dass Ende der achtziger Jahre, als sowjetische Juden in großer Zahl nach Israel emigrierten, eine israelische Zeitung berichtete, dass Zehntausende von ihnen, Jung ebenso wie Alt, sich als Erstes beschneiden ließen, dass sie sich im ganzen Gelobten Land wie am Fließband anstellten, um sich dieser Prozedur so schnell wie möglich zu unterziehen.
    – Glauben Sie an Gott?, fragte der Reporter einen älteren Mann, der wartete, bis er an der Reihe war.
    – Nein, antwortete der, – ich bin Atheist.
    Der Reporter war verblüfft.
    – Warum lassen Sie sich dann beschneiden?, fragte er.
    Der Mann kämpfte gegen seine Tränen an und antwortete stolz: – Weil man ohne Beschneidung, sagte er, – unmöglich Jude sein kann!
    Orli rief an.
    – Was machst du gerade?, fragte sie.
    – Ich bin online, sagte ich. – Kläre das mit der Vorhaut.
    – Was hast du gefunden?
    – Ein alter Russe ließ es sich machen.
    – Warum?
    – Weil man ohne das unmöglich Jude sein kann. Bringt dich das weiter?
    – Danke, sagte sie. – Nein.
    – Wem sagst du das.
     
    Meine Familie und ich sind wie Öl und Wasser, wenn Öl Wasser deprimiert und zornig macht, so dass es sich umbringen will, also beschlossen Orli und ich, uns als Hilfe bei der Geburt eine Doula zu nehmen. Sie hieß Mary, und sie kam einige Nachmittage später, damit man sich kennen lernte.
    – Wir sprechen nicht mit unseren Familien, sagte ich.
    – Das ist traurig, sagte Mary.
    – Nicht so traurig, wie wenn wir es täten, sagte ich.
    Mary beriet uns zu Ärzten, Hebammen und Nahrungsergänzung, zur Amniotomie und ihrer Beziehung zu einem Nabelschnurprolaps, zu übertriebener Anwendung von Periduralanästhesie und zu geringer Anwendung von Perineum-Massagen, um einen unnötigen

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