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Eine Vorhaut klagt an

Eine Vorhaut klagt an

Titel: Eine Vorhaut klagt an Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shalom Auslander
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Schwein einfach mochte? Warum musste meine Freude daran so viel Leid verursachen?
     
    Als mein zweites Jahr an der Jeschiwe-Highschool nahte, wurde mir schmerzlich klar, dass keiner der Niggas in meiner Jeschiwe eine scheiß motherfucking Scheißahnung hatte. Es war 1987, und ich hatte gerade Rap entdeckt.
    – Hast du dir was am Bein getan?, fragte meine Mutter und drückte mir eine Kipa auf den Kopf. – Warum hinkst du?
    – Warum bisdu bloß so?, fragte ich.
    – Warum bist du so, sagte sie. – Und jetzt beeil dich, du kommst sonst zu spät zur Jeschiwe. Und lauf nicht immer rum wie so ein Schwarzer.
    Ich lief zur Haustür hinaus, setzte meinen Kopfhörer auf, zog die Schnürsenkel heraus und hinkte die Straße lang zur Bushaltestelle. Rap passte perfekt; ich war mindestens so zornig wie die Rapper, und ich hatte schon einen Schrank voller Tommy und Girbaud. Ich kapierte nicht immer, was sie sagten, aber wie sie es sagten, das gefiel mir.
     
You and you mind dingsbums beatin’ from my rhymes
Dingsbums dingsbums dingsbums I can’t find.
I’ll dingsbums dingsbums my gun,
Manuzi [?] weighs a ton,
Because I’m public enemy number one.
     
    Verdammt straight.
    Etwas stimmte nicht. Wieder fühlte ich mich wie ein Fremder in einem fremden Land, nur dass das fremde Land, in dem ich war, mein eigenes war, und dass das Land, das nicht meines war, weniger fremd war als das, in dem ich war. Die Girbaud-Hosen halfen da auch nicht. Die Keds halfen nicht. Ich fühlte mich wie das Pferd auf dem Polo-Logo, unsicher, ob der Mann auf meinem Rücken mit dem bedrohlichen Schläger Gott war, die Familie, die Gemeinde oder alle drei zusammen, aber ich wusste, wenn ich den Hurensohn einfach abwerfen könnte, dann könnte ich endlos fortlaufen. Meine Einstellung zu der Welt, aus der ich gekommen war, und meine Einstellung zu dem Gott, von dem ich gekommen war, waren dieselben: Ich war es endlich leid, zu versuchen, in den Augen von jemand oder etwas Anklang zu finden, besonders wenn dieser Jemand oder dieses Etwas Arschlöcher und/oder ein Arschloch waren. Unser Philosophielehrer erzählte uns von einem Mann, der behauptete, Gott sei tot; schön wär’s, Friedrich. Er lebte, und Er war ein Dreckskerl. Vielleicht konnte ich vor Ihm nicht davonlaufen – vielleicht war die Reise aus dem Gelobten Land noch tückischer als die hinein –, aber womöglich, so überlegte ich, konnte ich Ihm den Spaß mit simpler Duldsamkeit verderben und heiter alles hinnehmen, was Er für mich bereithielt – kein Bangen, keine Gebete, kein Flehen, keine Manien. Keine Bestechungen mehr, keine Schmiergelder, keine Deals im Hinterzimmer des Gotteshauses. Funkstille. Nicht Atheismus; Resignation. Na-undismus. Egalismus. Leckmichismus. Vielleicht war es der Fehler der Stammväter gewesen, Ihm zu antworten? Vielleicht hätten sie Ihn einfach ignorieren sollen? Was die Welt betraf, aus der ich kam – na, ich war jetzt in Manhattan, und eine U-Bahnfahrt für einen Dollar entfernt war eine neue Welt, eine bessere Welt. Die Station des A-Trains war nur sechs Straßen weiter in der Washington Avenue, und der Times Square war 139 Straßen weg. Ich hatte von den Washington-Heights-Horrorgeschichten gehört: Juden verprügelt, Juden erschossen, Juden erstochen, Juden ausgeraubt. Wenn ich aber erst in diesem Zug saß, war ich frei, an Bord einer mit Graffiti verzierten Hülse in einer Welt, über die ich so viel schlimme Scheiße gehört hatte, dass ich es nicht erwarten konnte, dort zu leben.
     
Dingsbums dingsbums position, in any condition
Don’t get in my way, ’cause I’m dingsbums dingsbums-ition
I’m proud to be black, and I ain’t taking no crap,
I’m dingsbums dingsbums-ack, and I’m proud to be black.
     
    Verdammt straight.
    Gute Noten fielen mir leicht, also kümmerte es mich wenig, wenn ich im Unterricht fehlte. Sie gaben einem ein Lehrbuch, sie sagten, man solle einen bestimmten Teil des Lehrbuchs lesen, sie prüften einen über diesen bestimmten Teil des Lehrbuchs. Mathe war ein Trick; wenn man den Trick kannte (die Eins streichen, die Zwei im Sinn, das Dezimalkomma weg usw.), war es kaum noch ein Test. Tests zum jüdischen Recht waren am einfachsten – man wählte einfach die strengste Antwort:
    A – Vergebung
    B – Eine Strafe bezahlen
    C – Beten
    D – Steinigen
    Egal, welche Frage, die Antwort ist D .
    Ich fuhr mit dem A -Train zur 42nd Street, ging in ein paar Pornoläden, nahm den C uptown zurück zur 81st Street, dann durch den

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