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Eine wie Alaska

Titel: Eine wie Alaska Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Green
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entstanden, und was wird aus uns, wenn wir nicht mehr sind? Kurz: Was sind die Regeln dieses Spiels, und wie spielen wir es am besten?«
    Das Labyrinth , kritzelte ich in meinen Block, und der Weg hinaus. Dieser Lehrer war spitze. Ich hasste Laberklassen. Ich hasste es zu reden, und ich hasste es, wenn andere redeten und sich dabei so vage wie möglich ausdrückten, damit sie nicht ganz so dumm da standen. Es ging nur darum zu sagen, was der Lehrer hören wollte. Ich aber wollte unterrichtet werden. Und der Alte unterrichtete uns: In fünfzig Minuten brachte er mir bei, Religionen ernst zu nehmen. Ich war nicht religiös, doch er machte uns klar, dass Religionen wichtig waren, ob wir daran glaubten oder nicht, so wie Geschichte wichtig war, ob man selbst dabei gewesen war oder nicht. Und dann gab er uns auf, für den nächsten Tag fünfzig Seiten in unserem Religionsbuch zu lesen.
    Am Nachmittag hatte ich drei Kurse und drei Freistunden. Jeder Tag war in zehn Unterrichtseinheiten à fünfzig Minuten eingeteilt, was im Prinzip für jeden drei Freistunden »zum Lernen« bedeutete (außer für den Colonel, der eine Extra-Mathestunde hatte, weil er ein Extra-Mathesupergenie war). Der Colonel und ich hatten Biologie zusammen, und in Bio zeigte ich ihm den dritten Kerl, den, der mich in der Nacht gefesselt hatte. Der Colonel schrieb auf seinen Block: Longwell Chase. Senior + Tagestäter. Freund v. Sara. Seltsam. Es dauerte eine Minute, bis mir wieder einfiel, wer Sara war: die Freundin des Colonels.
    Die Freistunden verbrachte ich in meinem Zimmer, wo ich mich der Lektüre der Weltreligionen widmete. Ich erfuhr, dass ein Mythos keine Lüge war. Mythen sind überlieferte Geschichten und erzählen etwas von Menschen, von ihrer Weltsicht und dem, was sie für heilig halten. Spannend. Außerdem wurde mir klar, dass ich nach den Ereignissen der letzten Nacht viel zu müde war, um mich mit Mythen auseinanderzusetzen, und ich hatte fast den ganzen Nachtmittag verschlafen, als Alaska mir ins Ohr sang: »WACH AUF, KLEINER PUMMEL!« Direkt in den linken Gehörgang. Ich hatte mir das Religionsbuch bis zum Kinn gezogen, wie eine Bettdecke im Taschenbuchformat.
    »Das war grauenhaft«, stöhnte ich. »Was muss ich machen, damit du das nie wieder tust?«
    »Du kannst nichts machen«, rief sie aufgeregt. »Ich bin unvorhersehbar. Gott, ist Dr. Hyde nicht ätzend? Das findest du doch auch, oder? Er ist so herablassend .«
    Ich setzte mich auf. »Ich finde ihn super.« Teils, weil es stimmte, teils weil ich Lust hatte, ihr zu widersprechen.
    Sie setzte sich zu mir aufs Bett. »Schläfst du immer in Klamotten?«
    »Ja.«
    »Lustig«, sagte sie, »gestern Nacht hattest du nicht viel an.«
    Ich funkelte sie schweigend an.
    »Komm schon, Pummel, ich zieh dich doch nur auf. Hier musst du hart im Nehmen sein. Ich wusste ja nicht, was sie mit dir gemacht hatten – es tut mir leid. Sie werden es bereuen. Aber hier musst du hart im Nehmen sein.«
    Und dann ging sie wieder. Das war alles, was sie zu diesem Thema zu sagen hatte. Sie ist süß , dachte ich, aber du brauchst kein Mädchen, das dich behandelt, als wärst du zehn. Du hast schon eine Mutter.
Einhundertzweiundzwanzig Tage vorher
    Als ich nach der letzten Stunde meiner ersten Woche in Culver Creek zurück in Zimmer43 kam, bot sich mir ein ungewöhnlicher Anblick: der kleine Colonel mit nacktem Oberkörper, wie er über ein Bügelbrett gebeugt ein rosa Buttondown-Hemd bearbeitete. Er wuchtete das Eisen mit solcher Kraft über die Hemdschöße, dass er schweißgebadet war und sich fast anhörte wie Dr. Hyde.
    »Ich hab … ein Rendezvous«, ächzte er. »Es handelt sich … um einen Notfall.« Er hielt inne und schnappte nach Luft. »Weißt du« – er japste – »wie man bügelt?«
    Ich betrachtete das rosa Hemd. Es war so zerknittert wie eine Greisin, die ihre Jugend mit Sonnenbaden verbracht hatte. Würde er seine Sachen nur nicht so zusammenknüllen und wahllos in die Schublade stopfen.
    »Ich dachte, man stellt es an und drückt es aufs Hemd, oder?«, sagte ich. »Keine Ahnung. Ich wusste nicht mal, dass wir ein Bügeleisen haben.«
    »Haben wir auch nicht. Es ist Takumis. Aber Takumi weiß auch nicht, wie es funktioniert. Und als ich Alaska gefragt hab, hat sie geschrien: ›Versuch ja nicht, mich unter die Knute des patriarchalischen Paradigmas zu kriegen.‹ Oh Gott, ich brauch eine Zigarette. Ich brauche eine Zigarette, aber ich darf nicht nach Rauch stinken, wenn Saras Eltern

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