Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Eine wie Alaska

Titel: Eine wie Alaska Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Green
Vom Netzwerk:
nicht an meiner Stelle war. Dr. Hyde hatte es bereits bei drei Schülern getan – sie vor die Tür geschickt, weil sie nicht aufpassten oder Briefchen schrieben.
    »Äh, ich hab nur rausgesehen, äh, auf die Hügel, und gedacht, äh, das, was sie vorher gesagt haben, dass die Bäume und der Wald –«
    Doch der Alte verstand offensichtlich keinen Spaß und fiel mir ins Wort. »Ich muss Sie bitten, den Klassenraum zu verlassen, Mr. Halter. Sie können hinausgehen und die Beziehung zwischen den äh-Bäumen und dem äh-Wald genauer untersuchen. Und morgen, wenn Sie gewillt sind, meinen Unterricht ernst zu nehmen, sind Sie mir wieder herzlich willkommen.«
    Ich saß reglos da, den Stift in der Hand, das Heft aufgeschlagen, knallrot im Gesicht und mit vorgeschobenem Kiefer, ein alter Trick von mir, um Angst und Verlegenheit zu verbergen. Dann hörte ich, wie zwei Reihen hinter mir ein Stuhl gerückt wurde, und als ich mich umdrehte, sah ich, wie Alaska aufstand und ihren Rucksack schulterte.
    »Es tut mir leid, aber das ist Quatsch. Sie können ihn nicht einfach so rauswerfen. Sie labern und labern die ganze Stunde, jeden Tag, und wir dürfen nicht mal aus dem Fenster sehen?«
    Der Alte starrte Alaska an wie der Stier den Matador. Dann hob er die Hand und rieb sich langsam über den weißen Stoppelbart. »Fünfzig Minuten am Tag, fünf Tage die Woche werden Sie sich an meine Regeln halten. Oder Sie fallen durch. Sie haben die Wahl. Gehen Sie beide.«
    Ich stopfte den Block in den Rucksack und ging hinaus, gedemütigt. Als die Tür hinter mir ins Schloss fiel, tippte mir jemand auf die Schulter. Ich drehte mich um, doch es war niemand zu sehen. Ich drehte mich in die andere Richtung, und Alaska grinste mich an, die Haut zwischen ihren Augen und ihren Schläfen kräuselte sich wie Sternennebel. »Der älteste Trick der Welt«, sagte sie. »Aber jeder fällt drauf rein.«
    Ich versuchte zu lächeln, doch ich wurde den Gedanken an Dr. Hyde nicht los. Es war schlimmer als die Klebebandattacke, denn dass mich die Kevin Richmans dieser Welt nicht leiden konnten, daran hatte ich mich längst gewöhnt. Aber meine Lehrer waren immer ausgewiesene Mitglieder im Miles-Halter-Fanclub gewesen.
    »Ich hab dir doch gesagt, dass er ein Arschloch ist«, sagte sie.
    »Ich glaube immer noch, er ist ein Genie. Er hat recht. Ich hab nicht zugehört.«
    »Schon, aber deswegen muss er nicht so fies werden. Hat er es wirklich nötig, seine Macht zu demonstrieren, indem er dich demütigt?«, sagte sie. »Die einzigen wahren Genies sind Künstler. Yeats, Picasso, García Márquez: Genies . Dr. Hyde: verbitterter, alter Mann.«
    Dann verkündete sie, dass wir vierblättrige Kleeblätter suchen würden, bis die Stunde rum war, und später würden wir mit dem Colonel und Takumi eine rauchen gehen, »die alle beide«, setzte sie nach, »Riesenarschlöcher sind, weil sie nicht mit uns rausgegangen sind«.
    Und als Alaska Young im Schneidersitz auf der verdorrten, nur stellenweise grünen Wiese saß und sich vorbeugte, um nach vierblättrigen Kleeblättern zu suchen, war die blasse Haut ihres herrlichen Dekolletés so deutlich zu sehen, dass es mir – schlichtes Gesetz der menschlichen Physiologie – unmöglich war, ihr bei der Suche zu helfen. Ich wusste, ich hatte heute für abschweifende Blicke schon genug Ärger bekommen, aber …
    Nachdem sie zwei Minuten lang mit ihren langen, schmutzigen Fingernägeln ein Kleefeld durchgekämmt hatte, riss sie plötzlich ein Kleeblatt mit drei großen und einem kleinen, verkümmerten vierten Blättchen aus, dann blickte sie auf, so schnell, dass ich kaum Zeit hatte, meine Augen loszureißen.
    »Auch wenn du offensichtlich nicht bei der Suche geholfen hast, du Perversling«, sagte sie spöttisch, »würde ich dir dieses Kleeblatt schenken. Andererseits, Glück ist was für Versager.« Mit Daumen und Zeigefinger zwickte sie das verkümmerte Blatt ab und warf es weg. »Hier, jetzt ist es wenigstens kein genetisches Missgeschick mehr.«
    »Vielen Dank«, sagte ich. Es klingelte, und Takumi und der Colonel waren als Erste draußen. Alaska bedachte sie mit zornigen Blicken.
    »Was?«, fragte der Colonel.
    Doch sie rollte nur mit den Augen, drehte sich um und ging. Schweigend liefen wir ihr hinterher über die Schlafsaalwiese, hinunter zu den Sportplätzen. Dort tauchten wir in den Wald ein und folgten einem kaum sichtbaren Pfad um den See, bis wir an eine Schotterstraße kamen. Der Colonel hatte Alaska eingeholt, und

Weitere Kostenlose Bücher