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Eine wie Alaska

Titel: Eine wie Alaska Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Green
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kommen. Okay, scheiß drauf. Wir rauchen im Bad und machen die Dusche an. In der Dusche ist Dampf. Dampf ist gut gegen Falten, oder? Übrigens«, erklärte er, während ich ihm ins Bad folgte, »wenn du tagsüber drinnen rauchen willst, mach einfach die Dusche an. Der Rauch zieht mit dem Wasserdampf durch die Lüftung ab.«
    Auch wenn es physikalisch nicht erklärbar war, schien es zu funktionieren. Wegen des fehlenden Wasserdrucks und des niedrigen Duschkopfs war die Dusche fürs Duschen zwar völlig unbrauchbar, doch als Rauchvertilger war sie ideal.
    Leider funktionierte sie nicht als Bügeleisen. Der Colonel versuchte es noch mal am Bügelbrett (»Vielleicht muss ich fester drücken«), doch am Ende zog er das Hemd verknittert an. Dann band er sich eine blaue Krawatte mit rosa Flamingos um.
    »Eins hat mein lausiger Vater mir beigebracht«, sagte er, während er mit flinken Fingern einen perfekten Krawattenknoten band, »nämlich, wie man eine Krawatte bindet. Ziemlich schräg, denn ich glaube nicht, dass er je eine getragen hat.«
    In diesem Moment klopfte Sara an die Tür. Ich hatte sie ein, zwei Mal gesehen, aber der Colonel hatte uns nie vorgestellt, und auch heute Abend sollte sich die Gelegenheit nicht ergeben.
    »Ach Gott. Kannst du nicht mal ein Hemd bügeln?«, fragte sie, obwohl das Bügelbrett noch da stand. »Immerhin gehen wir mit meinen Eltern aus.« Sara sah umwerfend aus in ihrem blauen Sommerkleid. Sie trug das lange hellblonde Haar hochgesteckt, nur zwei gelockte Strähnen umrahmten ihr Gesicht. Sie sah aus wie ein Filmstar – hochgradig zickig.
    »Hör mal, ich hab mein Bestes getan. Wir haben hier kein Personal, das sich ums Bügeln kümmert.«
    »Chip, solche Sprüche machen dich nur noch kleiner.«
    »Verdammt, können wir nicht ein Mal aus dem Haus gehen, ohne zu streiten?«
    »Wir gehen in die Oper . Meinen Eltern bedeutet das sehr viel. Aber vergiss es einfach. Lass uns gehen.«
    Ich wäre am liebsten abgehauen, doch der einzige Fluchtort war das Bad. Denn Sara blockierte die Zimmertür – eine Hand in die Hüfte gestemmt, mit der anderen hielt sie den Autoschlüssel hoch, als wollte sie damit ihre Worte unterstreichen.
    »Ich könnte im Smoking kommen, und deine Eltern würden mich trotzdem nicht leiden können!«, schrie der Colonel.
    »Nicht meine Schuld! Du provozierst sie ständig!« Sie hielt ihm den Autoschlüssel unter die Nase. »Entweder wir gehen jetzt oder nicht.«
    »Scheiß drauf. Mit dir geh ich nirgendwohin«, zischte der Colonel.
    »Schön. Dann gute Nacht.« Sara drehte sich um und knallte die Tür hinter sich zu, so fest, dass eine ziemlich dicke Biografie von Leo Tolstoj (letzte Worte: »In Wahrheit … ist es mir sehr wichtig … was die …«) vom Regal fiel und mit einem dumpfen Knall auf dem karierten Boden landete, wie ein Echo.
    »AHHHH!«, schrie der Colonel.
    »Das ist also Sara.«
    »Ja.«
    »Sympathisch.«
    Der Colonel lachte, kniete sich vor den Minikühlschrank und griff nach einer Flasche Milch. Er setzte sie an die Lippen, nahm einen Schluck, kniff die Augen zusammen, hustete und setzte sich auf die Couch, die Milchflasche zwischen den Knien.
    »Ist die Milch sauer?«
    »Oh, hätte ich dir früher sagen sollen. Das ist keine Milch. Es sind fünf Teile Milch und ein Teil Wodka. Ich nenne es Ambrosia. Der Göttertrank. In der Milch riecht man Wodka kaum, und solange der Adler nicht davon trinkt, kann er mir nicht auf die Schliche kommen. Dafür schmeckt es wie saure Milch mit Nagellackentferner, aber was soll’s, es ist Freitagabend, Pummel, und meine Freundin ist eine Zicke. Willst du nen Schluck?«
    »Nein danke.« Bis auf ein Glas Sekt an Silvester unter den wachsamen Augen meiner Eltern hatte ich noch nie Alkohol getrunken, und »Ambrosia« klang nicht gerade wie etwas, womit ich anfangen wollte. Draußen klingelte das Telefon. Es war erstaunlich, wie selten es klingelte, in Anbetracht der Tatsache, dass sich 190 Internatsschüler fünf Münzfernsprecher teilten. Mobiltelefone waren verboten, auch wenn einige Tagestäter heimlich welche hatten. Die meisten Nicht-Tagestäter wie ich meldeten sich regelmäßig zu Hause, und die Eltern riefen meistens nur an, wenn ihr Kind den Anruf vergessen hatte.
    »Gehst du endlich ran?«, knurrte der Colonel mich an. Ich hatte zwar keine Lust, mich rumkommandieren zu lassen, aber ich hatte auch keine Lust auf Streit.
    Und so trabte ich durchs schmuddelige Dämmerlicht zum Telefon, das zwischen Zimmer 44 und 45 an

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