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Eine wie Alaska

Titel: Eine wie Alaska Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Green
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mit denen sich die Religionen beschäftigen, sind, fürchte ich, persönlich geworden.«
    Er blätterte durch unsere Aufsätze und zog aus dem Stapel einen heraus. »Ich habe hier Alaskas Aufsatz. Wie ihr euch erinnert, solltet ihr darlegen, welches für euch die wichtigste Frage ist, die sich dem Menschen stellt, und wie die drei Religionen damit umgehen. Das hier ist Alaskas Frage.«
    Seufzend klammerte er sich an die Stuhllehne und stand auf, dann schrieb er an die Tafel: Wie kommen wir aus dem Labyrinth des Leidens heraus? – A.Y.
    »Ich lasse diese Frage für den Rest des Halbjahrs an der Tafel stehen«, sagte er. »Denn alle, die im Laufe ihres Lebens einen Menschen verloren haben, kennen ihre nagende Beharrlichkeit. Irgendwann blicken wir auf und stellen fest, dass wir uns in einem Irrgarten verlaufen haben. Ich will nicht, dass wir Alaska dabei vergessen. Selbst wenn der Stoff langweilig scheint – wir sind hier, um zu verstehen, was andere auf Alaskas Frage geantwortet haben, und auf all die anderen Fragen, die Sie in Ihren Aufsätzen gestellt haben: Wie gehen die verschiedenen Religionen damit um, was Chip in seinem Aufsatz ein ›mieses Los auf Erden‹ nennt?«
    Hyde setzte sich.
    »Also. Wie geht es euch?«
    Der Colonel und ich schwiegen, während ein paar Schüler, die sie gar nicht gekannt hatten, Alaskas Tugenden priesen und beschworen, wie am Boden zerstört sie seien. Anfangs ärgerte ich mich darüber. Ich wollte nicht, dass Leute, die sie nicht kannten – Leute, die sie nicht gemocht hatte – um sie trauerten. Zu Lebzeiten war sie ihnen völlig egal, und jetzt taten sie so, als hätten sie eine Schwester verloren. Andererseits hatte ich sie wahrscheinlich auch nicht richtig gekannt. Hätte ich sonst nicht wissen müssen, was sie mit »Wir machen morgen weiter« meinte? Und wenn ich sie so geliebt hatte, wie ich mir einredete, wie hatte ich sie dann gehen lassen können?
    Und so regte ich mich nicht weiter über die andern auf. Aber ich hörte, wie der Colonel neben mir durch die Nase schnaubte wie ein Bulle vor dem Angriff.
    Er rollte mit den Augen, als Tagestäterin Brooke Blakely, deren Eltern gerade einen blauen Brief von Alaska erhalten hatten, jammerte: »Ich bin so traurig, dass ich ihr nie gesagt habe, wie lieb ich sie hatte. Ich verstehe einfach nicht, warum.«
     
    »Quatsch«, knurrte der Colonel, als wir zum Mittagessen gingen. »Brooke Blakely hat sich einen Scheißdreck um Alaska geschert.«
    »Wenn Brooke Blakely tot wäre, wärst du dann nicht auch traurig?«, entgegnete ich.
    »Wahrscheinlich. Aber ich würde nicht vor allen Leuten darüber heulen, dass ich ihr nie gesagt habe, wie lieb ich sie hatte. Ich hab sie nicht lieb. Sie ist eine blöde Ziege.«
    Ich konnte die ganze Zeit nur daran denken, dass alle anderen mehr Recht hatten, um sie zu trauern, als wir – sie hatten sie schließlich nicht umgebracht. Aber ich wusste, dass ich dem Colonel damit lieber nicht kam, wenn er wütend war.
Neun Tage später
    »Ich hab eine Theorie«, sagte der Colonel, als ich nach einem schrecklichen zweiten Schultag zur Tür reinkam. Es war nicht mehr so kalt, aber das hatte sich noch nicht bis zu den Leuten rumgesprochen, die die Zentralheizung bedienten. Die Klassenzimmer waren überheizt und stickig, und ich wollte mich nur ins Bett fallen lassen und schlafen, bis alles wieder von vorne anfing.
    »Ich hab dich heute in der Schule vermisst«, bemerkte ich und fiel ins Bett. Der Colonel saß am Schreibtisch über seinen Spiralblock gebeugt. Ich zog mir die Decke über den Kopf, aber der Colonel ließ sich nicht abwimmeln.
    »Ach. Ja. Ich konnte nicht. Ich musste meine Theorie durchdenken. Sie ist zugegebenermaßen nicht wahnsinnig wahrscheinlich, aber es würde passen. Also, hör zu. Sie küsst dich. In der Nacht ruft jemand an. Jake, schätze ich. Sie streiten sich – weil sie ihn betrügt, oder wegen einer anderen Sache, wer weiß. Deswegen ist sie so aufgelöst, und sie will zu ihm. Sie kommt heulend zurück und verlangt von uns, wir sollen ihr zur Flucht verhelfen. Und sie ist total ausgeflippt, keine Ahnung, sagen wir, weil, wenn sie nicht zu ihm kann, macht Jake mit ihr Schluss. Nur mal so hypothetisch. Also fährt sie los, betrunken und völlig aufgelöst, und sie ist wütend auf sich selbst wegen was auch immer, und sie fährt und fährt, und plötzlich sieht sie das Polizeiauto, und dann, in einer Sekunde, kommt alles zusammen, und sie hat das Ende ihres mysteriösen Labyrinths

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