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Eine Wiener Romanze: Roman (German Edition)

Eine Wiener Romanze: Roman (German Edition)

Titel: Eine Wiener Romanze: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Vogel
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hübschen Geldscheine, so ein Pech!
    »Komm, setz dich zu mir«, bat Anker und machte ihr Platz frei. Als sie sich gesetzt hatte, schlang er ihr den Arm um die Taille und zog sie an sich. Ihre Brust war nun nahe seinem Gesicht, eine runde, feste Brust. Begierig sog er ihren scharfen, betörenden Körpergeruch ein, der ihn erregte. Er drückte eine Wange an ihre kühle, glatte Brust und verharrte einen Moment in dieser Position. Es tat gut, denPuls eines lebenden Wesens ganz nah zu spüren, seinem regelmäßigen Atem, seinem Herzschlag zu lauschen.
    Draußen wurde es langsam heller. Der leichte Wind eines Sommermorgens wehte sanft und luftig durchs offene Fenster. Das elektrische Licht verblasste, wirkte auf einmal armselig und verwaist. Alle Verkrümmungen des Herzens schwanden bei diesem Tagesanbruch und in der Nähe dieser lebenden, atmenden Kreatur in seinen Armen. Momentan waren sie aus dem Gedächtnis gelöscht. Nichts existierte mehr auf Erden als dieser frische, wispernde Morgen, der leichte Wellen schlug, und diese glatte, glühende Frau, die ihn mit dem Hauch ihres Mundes verbrannte, und Fritz Anker selbst, das heißt nur ein kleiner Teil von ihm, als hätte sich sein ganzes Sein auf einen winzigen Punkt reduziert, der noch irgendwo flackerte.
    Dann vermengte sich alles, der Morgen, die Frau und er, vereinte sich und verschmolz zu einem zuckenden Ganzen. Eine kurze Weile war das Bewusstsein ausgeschaltet. Nur schwere, erhitzte, stoßweise Atemzüge zerstoben in der Luft des stillen Zimmers. Danach lagen sie entspannt nebeneinander, die Mattigkeit der Befriedigung in den Gliedern.
    Gretel führte seine Hand an den Mund und küsste sie, nun hellwach. »Möchtest du, dass wir uns wiedersehen? Nicht des Geldes wegen, glaub mir, ich will kein Geld von dir.«
    »Kann sein, dass wir uns wiedersehen.«
    Anker griff nach dem Schalter über dem Bettgestell und löschte das Licht. Es war schon heller Morgen. Einige Zeit rauchte er stumm, sah den blaugrauen Rauchschwaden nach, die geradewegs zur weißen, mit Fliegendreck übersäten Decke aufstiegen, sich alsbald in formlosen Dunst verwandelten, der von einem leichten, kaum spürbaren Luftzug erfasst und hinausgeweht wurde. Es war vier Uhr. Irgendwohörte man ein Fenster aufgehen, dann das Rattern schwerer Räder, das sich näherte und wieder entfernte und nach und nach in der dichten Stille verklang. Mit einem Schlag verfiel Anker in blinde Hast. Als fürchte er, etwas Wichtiges zu verpassen, sprang er aus dem Bett und begann sich anzuziehen und zu kämmen. Dann reichte er der jungen Frau die beiden Geldscheine. »Für einen schönen Sommermantel – mehr als genug, nicht wahr?«
    Er verabschiedete sich rasch von ihr und verließ das Zimmer.

17
    Als Rost aufstand, war es bereits zehn Uhr. Durch die Ritzen der Jalousie malte die Sonne warme Schrägstreifen auf den Boden, die auch auf den weichen, farbigen Teppich in der Zimmermitte kletterten, die gute Imitation eines Perserteppichs. Es war still. Aus den Nebenzimmern drang kein Laut. Erna saß jetzt im Gymnasium, und sie, Gertrud, war vermutlich mit dem Dienstmädchen ausgegangen, um fürs Mittagessen einzukaufen. So war es ihm lieber. Vor einer Stunde hatte er ein leises, zaghaftes Schaben an seiner Tür gehört, das durch den leichten Schleier seines süßen Schlummers gedrungen war. Er hatte sich nicht gerührt. Sich schlafend gestellt. Hatte sofort gewusst, wer da schabte. Der tragische Gesichtsausdruck, den Gertrud in letzter Zeit aufsetzte, war gar nicht nach seinem Geschmack. Die Sache begann ihm entschieden auf die Nerven zu gehen. Zum Glück rückten die Ferien näher, noch ein bis zwei Wochen, dann würde die Familie in die Sommerfrische fahren, und das Problem würde sich auf natürliche Weise lösen, ohne Eklat, ohne überflüssige Debatten, die nur Hass säen würden. Er müsste notgedrungen umziehen, da er nicht in der leeren Wohnung bleiben konnte, und so wäre kein Raumfür Erbitterung, Vorwürfe und Dramen. Später würde er vielleicht für ein bis zwei Wochen in den Urlaubsort der Familie fahren und wäre sein eigener Herr, aber dort würde ihr Mann mehr bei ihr sein.
    Bei diesen Gedanken wusch und rasierte er sich. Ehrlich gesagt, tat es ihm in einem Winkel seiner Seele ein wenig leid um sie, um Gertrud, aber konnte man denn von ihm verlangen, dass er sein Leben für immer mit ihrem verband?! Sie hing zu leidenschaftlich an ihm – aber war es denn seine Schuld? Beziehungen, die eigentlich nur

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