Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eine Wiener Romanze: Roman (German Edition)

Eine Wiener Romanze: Roman (German Edition)

Titel: Eine Wiener Romanze: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Vogel
Vom Netzwerk:
Lächeln ihm, Rost.
    Nein, Gertrud war sichtlich ungehalten gewesen. So hatte er sie noch nie gesehen. Und nur, weil er Erna ins Kaffeehausausgeführt hatte? Das war jedenfalls kein hinreichender Grund. Schließlich war sie schon ein erwachsenes Mädchen. Vielleicht erwachsener, als ihre Mutter dachte. Egal, er hatte Zeit und Geduld zu warten, bis die Dinge sich klären würden.
    Er setzte sich hin, um einen Brief an seine Mutter zu schreiben, und eine halbe Stunde später zog er sich an und ging aus. Auf dem Flur begegnete er Gertrud. Sie flüsterte ihm zu, er solle sie in einer Dreiviertelstunde in der Grünanlage auf dem Karlsplatz erwarten.
    In einem nahegelegenen Speiselokal aß er zu Abend, dann steuerte er die Anlage an. Gertrud erwartete ihn bereits am Eingang. Hakte sich bei ihm ein und zog ihn weiter, zum Ring. Die Stadt lag schon im Abendschein. Die belebte Ringstraße war hell erleuchtet. Aus den Kaffeehäusern tönte Musik. Die Drehtüren standen keinen Moment still. Rost schlug vor, ein Kaffeehaus aufzusuchen. Als sie sich gesetzt hatten, sagte Gertrud: »Erna kann deinen Namen nicht hören. Sie hasst dich. Ich frage mich, warum.«
    Rost setzte seine Mokkatasse ab. »In diesem Alter sind sie launisch.«
    »Was willst du von ihr?«
    »Nichts.«
    »Du brauchst ihr nicht den Weg ins Kaffeehaus zu weisen. Es ist zu früh für sie.«
    »Es wird sich so oder so jemand finden, der ihr den Weg dahin weist. Sie ist kein kleines Mädchen mehr.«
    »Aber nicht du! Ich will es nicht, hörst du?!«
    »Warum gerade ich nicht?«
    »Ich will es nicht«, wiederholte Gertrud, »werde es nicht zulassen!«
    »Dann bleibt dir nichts anderes übrig, als sie in ihrem Zimmer einzusperren, und ich bezweifle, dass das was helfen wird.« Einen Moment später fügte er hinzu: »Ich verstehenicht, was diese ganze Aufregung soll. Kein Mensch hat ihr was getan.«
    »Sie ist Gymnasiastin und hat sich nur um die Schule zu kümmern!«
    »Alles für die Bildung?«, scherzte Rost. »Übrigens fürchte ich, dass sie sehr wohl von unserer Beziehung weiß. Sie ist nicht so naiv.«
    »Woraus entnimmst du das?«
    »Ich hab das Gefühl.«
    »Das macht nichts! Ich habe vor niemandem Angst.«
    »Sie informierte mich plötzlich, unvermittelt, dass dein Mann in drei Tagen zurückkommen wird. Es steckte offensichtlich eine Absicht dahinter.«
    »Egal! Ich liebe dich sehr. Das Weitere ist unwichtig«, sie strich ihm über den Handrücken auf dem Tisch, »kein Mensch kann zwischen uns treten.«
    »Und wenn dein Mann wiederkommt?«
    Er hatte ein eigenartiges Gefühl, wenn er von ihrem Ehemann sprach, der für ihn ein abstrakter Begriff war. Er konnte sich schwer vorstellen, dass diese Gertrud, die ein Fleisch mit ihm geworden war und die er seit jeher so zu kennen meinte, mit ihrem glatten, warmen, anders geschnittenen Körper und dessen scharfem und betörendem Geruch in der Verschmelzung mit seinem Fleisch – dass diese Gertrud sich genauso mit einem anderen Mann vereinigte, der sich ihr Ehemann nannte, mit demselben innigen Realitätsverlust, derselben völligen Selbstvergessenheit. Diese Vorstellung war sonderbar, hatte sogar etwas Lächerliches.
    »Wenn er da ist, ist er da.«
    »Und du wirst regelrecht mit ihm schlafen?«
    »Bist du eifersüchtig auf ihn? Ich bin sicher, ich werde ihn betrügen, nicht dich.«
    »Ich bin nicht eifersüchtig. Aber dieselbe Partnerschaft mit beschränkter Haftung, das ist unangenehm.«
    »Du kannst sicher sein, dass ich ihm nie das gegeben habe, was ich dir gebe. Niemals. Vielleicht bist du noch zu jung, um das zu verstehen, aber ich sage die Wahrheit. Ich war mit ihm zusammen, habe ihm ein Kind geboren, und trotzdem bist du der erste Mann, als hätte ich nie jemanden vor dir gehabt.«
    »Hast du ihn denn nicht geliebt? Warum hast du ihn dann geheiratet?«
    »Siehst du, ich glaubte ihn zu lieben. Ein junges Mädchen kann die Gefühle noch nicht richtig einordnen. Er war mir sympathisch und hat mich sehr geliebt, liebt mich heute noch. Ein Mädchen in dem Alter sehnt sich nach Liebkosungen, nach Küssen, nach Zärtlichkeit. Und neugierig ist sie auch. Also meinte ich, ihn zu lieben, aber bald merkte ich, dass es keine wahre Liebe war. Nur ein schlechter Ersatz. Eigentlich habe ich ihn nie geliebt. Ich kann nicht sagen, dass ich ihn hasse oder verachte, das nicht, aber all das ist nur ein lauer Abklatsch, ohne wahre Erregung, ein Akt der Gewohnheit.«
    Sie sagte die Wahrheit, aber es konnte gut sein, dass sie

Weitere Kostenlose Bücher