Eine Wohnung mitten in der Stadt (German Edition)
und drückte Bernhard einen Kuß auf die Lippen, den Kuß, an den er sich auch in hundert Jahren noch erinnern wollte.
Tosender Beifall. Rosenblätter segelten von der Empore und verströmten den Duft der Liebe. Ein stampfender Beat hob an und erkämpfte sich nur langsam Gehör. Whitney Houston sang My Love Is Your Love, und die Gäste klatschten im Rhythmus.
Edvard nahm Bernhard bei der Hand und ging mit ihm den Gang hinunter, durch die Menge der gratulierenden Freunde hindurch, die sich teilte wie das Rote Meer.
Edvard bemühte sich, jeden einzelnen anzusehen, aber sie verschwammen bloß vor seinen Augen, deshalb winkte er wie eine Königin auf Staatsbesuch. Sie waren alle gekommen, sogar seine Mutter, und warfen ihnen Luftküsse zu.
Auch Bernhard schaute die Gäste an, Gesicht für Gesicht. Seine Mutter war natürlich nicht hier, auch nicht sein Bruder oder eine seiner drei Schwestern, weil er seit Jahren den Kontakt mit ihnen mied. Sie kannten Edvard nicht. Bernhard hätte es sich nicht einmal gewünscht, jemanden von seiner Familie dabeizuhaben. Und doch kam es ihm eigenartig vor: Während er diesen besonderen Augenblick erlebte, saß seine Familie zu Hause und wußte nicht einmal davon.
Draußen strahlte die Sonne. Sobald sie hinaustraten, prasselte Reis auf sie herab. Edvard raffte sein Kleid und tippelte die Stufen hinab auf die offene Tür der Limousine zu.
„Das Bouquet!“ rief jemand. „Ja! Das Bouquet! Das Bouquet!“ riefen die Freunde im Chor und drängten hinaus ans Licht.
Edvard blieb stehen, schloß die Augen und wartete einen Augenblick, dann warf er die Blumen im hohen Bogen über seinen Kopf. Als er sich umdrehte, sah er Max, der erschrocken auf die Blumen in seiner Hand schaute. Edvard warf ihm einen Luftkuß zu, schlüpfte in den Fond und zerrte Bernhard hinter sich her. Die Tür klappte zu, und schon rollte der Wagen an. Die Blechdosen sangen scheppernd im Chor.
„Du bist völlig verrückt“, sagte Bernhard und legte seinem Mann den Arm um die Schultern.
„Ich weiß“, antwortete Edvard. „Und das ist genau der Grund, warum du mich geheiratet hast.“
„Sogar deine Mutter hast du für diesen Irrsinn nach Deutschland geholt.“
„Sogar?“ Edvard schlüpfte aus seinen Stöckelschuhen und raffte die Schleppe unter seine Beine. „Bei den wirklich wichtigen Ereignissen meines Lebens war sie immer anwesend.“
„Ja? Was war denn das letzte ‚wirklich wichtige Ereignis‘?“
Edvard schaute seinen Mann an, überlegte kurz und antwortete dann: „Meine Geburt.“ Sie fielen sich in die Arme und lachten. „So, und jetzt: Fahrer, bitte die Trennwand hochfahren“, orderte Edvard. „Mein Mann möchte mit mir die Ehe vollziehen.“
Der Fahrer tat wie geheißen.
„Und laß dir ruhig Zeit“, rief Edvard noch nach vorne. „Die Party kann warten. Je später wir ankommen, desto größer unser Entree.“
„Party?“ fragte Bernhard.
Edvard schaute ihn an. Auch nach viereinhalb Jahren überraschte es ihn, wie weit weg von dieser Welt sich der Mann seiner Träume manchmal befand. „Na, die Party unseres Lebens, du süßer Dummkopf“, sagte er liebevoll und schob seine Zunge zwischen Bernhards engen Lippen hindurch.
Bernhard *
Ein Bild für die Götter: Edvard saß auf dem Kinderstuhl in der Küche und Hannah auf seinem rechten Knie. Er hatte die Arme um sie gelegt, und gemeinsam schnippelten sie an Karotten herum. Ob das wohl in ein paar hundert Jahren als Genrebild durchgehen würde?
Ich ließ die Wohnungstür zufallen, Hannah schaute auf, kiekste, streckte ihre Ärmchen in die Höhe. „Chau, Berni! Eine Blume.“ Sie ersetzte „sch“ immer noch durch ein etwas verkorkstes „ch“. Sie war zum Anbeißen.
Hannah war drei Jahre und noch nicht ganz drei Monate alt, vielleicht ein bißchen klein gewachsen – wie ihre Mutter –, und obwohl ihr noch Babyspeck anhaftete, war abzusehen, daß sie einmal so zart und schlank werden würde wie Kim, ein richtiges Püppchen. Sie konnte ihre Wünsche äußern, war in manchen Dingen schon sehr selbständig, Neugier ihr größtes Hobby. Im Grunde also unterschied sich Hannah nicht sehr von den meisten Mädchen in ihrem Alter, und trotzdem war sie etwas besonders: Sie war nämlich „unsere“ Hannah.
Ich konnte gerade noch meinen Mantel ablegen, da hüpfte sie an mir hoch. Ich nahm sie auf den Arm, sie umklammerte meinen Hals und drückte so fest zu, daß mir die Luft wegblieb.
„Hallo, Prinzessin“, sagte ich, sobald ich
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