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Eine Wohnung mitten in der Stadt (German Edition)

Eine Wohnung mitten in der Stadt (German Edition)

Titel: Eine Wohnung mitten in der Stadt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Niederwieser
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doch noch eine Chance, aus diesem Alptraum zu erwachen.
    „Was ist das denn für eine Nummer?“ fragte ich Edvard, der mir gefolgt war.
    „Ich habe keine Ahnung.“ In seinem Gesicht stand das blanke Entsetzen – was mich beruhigte.
    Ich legte meinen Kopf schief und schaute ihn fragend an.
    „Berni, du bildest dir doch nicht ein, daß ich ihm das erlaubt habe?“ Edvard war einiges zuzutrauen, sogar das. Aber eines konnte ich mir sicher sein: Wenn ich ihn was fragte, dann sagte er die Wahrheit – wenigstens ging ich damals noch davon aus.
    „Wieso hast du dann so gelächelt, als du seinen nackten Hintern gesehen hast?“
    „Bevor du jetzt ein Eifersuchtsdrama abziehst, sag mir lieber, wie wir damit umgehen“, sagte Edvard.
    „Das fragst du mich? Ich schaue nicht auf ein so umfangreiches Erfahrungsspektrum von fremden Männern in meinem Bett zurück.“
    „O Mann. Immer diese versteckten Vorwürfe. Hört denn das nie auf?“ Edvard verdrängte mich vom Kaffeeautomaten, stellte seine Tasse darunter und drückte auf den Knopf.
    Die Dielen knarzten, und wir steckten beide den Kopf ins Große hinaus. Die Schlafzimmertür öffnete sich zuerst nur einen Spalt, dann mit einem Ruck. „Guten Morgen“, sagte Malvyn, gähnte und rieb sich die Augen. Sein Gesicht war verknittert, über die Wange zogen sich dicke Falten vom Kissen; er sah süß aus, so blutjung und neu in dieser Welt. Abgesehen davon stand er wie Gott ihn geschaffen hatte an unserem Eßtisch. Zum sofortigen Verzehr geeignet, schoß mir in den Sinn und ich genierte mich dafür.
    „Guten Morgen“, murrten wir unisono und versuchten, das ernste Gesicht zu behalten, das wir aufgesetzt hatten. Es war schwer, dieses Ereignis nicht einfach zu übergehen.
    Malvyn kam geradewegs auf uns zu und küßte uns – wie jeden Morgen.
    „Zieh dir was an“, raunte Edvard.
    Malvyn tat, als hätte er es nicht gehört, aber ich sah deutlich, daß ihn der Ton erschreckt hatte. Ich stupste Edvard an und bedeutete ihm, etwas freundlicher mit unserem Gast umzugehen.
    „Malvyn, zieh dir bitte was an“, wiederholte er dann mit einer freundlicheren Stimme, woraufhin Malvyn in sein Zimmer ging und mit einem Tanga bekleidet zurückkam. Er war anders als sonst. Ich hätte mich schon sehr irren müssen, wenn dieser niedergeschlagene Blick nicht einem Schuldbekenntnis gleichkam.
    „Soll ich Brötchen holen gehen?“ fragte er und setzte sich verschüchtert an den ungedeckten Tisch.
    Edvard warf mir einen fragenden Blick zu. Ich bedeutete ihm, sich zu setzen und in aller Ruhe mit Malvyn darüber zu reden: „He, Malv. War ja ’ne lustige Überraschung heute morgen“, sagte Edvard. Malvyn schaute nicht auf. „Hmm, wie soll ich das sagen. Ähm, du bist uns hier sehr … willkommen. Wir haben dich gern …“ Mein Mann schaute mich hilfesuchend an; ich zuckte mit den Schultern, bedeutete ihm aber weiterzusprechen. „Malv, du hast in unserem Bett nichts zu suchen.“ Das wiederum fand ich ein bißchen heftig.
    Die Worte trafen Malvyn wie eine Ladung Schrot. „Tut mir leid“, sagte er leise und blieb weiter in dieser eingerollten Haltung sitzen, die Arme über seinem muskulösen Bauch verschränkt. Das war nicht Malvyn, der da sprach. Malvyn kannte keine Schuldgefühle. Ich bin kein großer Menschenkenner, aber mir war klar, daß hier etwas nicht stimmte, überhaupt nicht.
    Ich kniete mich neben ihn und versuchte, ihm in die Augen zu schauen, aber er erwiderte meinen Blick nicht. „Malvyn. He, Malvyn.“ Ich berührte ihn am Kinn und drehte seinen Kopf zu mir hin. Er schaute mich an, lange und durchdringend, und ich sah Angst. „Wie kommst du nur auf so eine Idee?“ Es war ein bettelnder Blick.
    Angst, betteln, etwas nicht aussprechen können? Ich merkte, daß er zitterte. Es war Ende Mai, also kein Grund zum Frieren. Ich stand auf, holte ihm meinen Bademantel und legte ihn ihm um die Schultern, dann ließ ich meine Hand dort liegen.
    Sein Gebaren erinnerte mich an etwas, seine Fragen, sein Beobachten. Warum hatte er uns ohne Vorankündigung besucht? Warum war er immer noch hier?
    Und dann war es mir mit einem Schlag klar. Ich schaute Edvard an und fragte mich, wie ich es ihm beibringen sollte. Der hatte sich in seinem Stuhl zurückgelehnt, preßte die Fingerspitzen aneinander, so daß die Knöchel ganz weiß waren, und schürzte die Lippen. Er dachte nach, er fieberte – auch er wußte es schon.
    „He, das ist doch alles kein Problem“, sagte ich und lachte, doch es war

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