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Eine Wohnung mitten in der Stadt (German Edition)

Eine Wohnung mitten in der Stadt (German Edition)

Titel: Eine Wohnung mitten in der Stadt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Niederwieser
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blätterte darin, bevor er sich verabreden konnte. Meistens mußte verhandelt werden, der Donnerstag gegen den Freitag oder eine Kalenderwoche gegen eine andere. Ich fragte mich immer, wie konnten sie wissen, ob sie zu dem vereinbarten Zeitpunkt dann überhaupt Lust hatten, sich zu sehen?
    Eine weitere Regel gab es über die Einhaltung dieser Termine. Man mußte pünktlich kommen, was hieß: exakt fünf Minuten nach der vereinbarten Uhrzeit, sonst galt man als unhöflich.
    Auch wurde vorher festgelegt, womit man die Zeit während der Verabredung füllte: meistens essen, manchmal Kino oder durch Kneipen ziehen. Wie hielten die Menschen das nur aus? wunderte ich mich. Nie blieb Zeit, mit Freunden das zu tun, worauf sie in dem Moment gerade Lust hatten.
    Selbst die Gespräche verliefen manchmal etwas eigenartig. Auch hier gab es allerlei zu beachten. Der eine durfte eine Sache nicht wissen, der andere was anderes nicht. Keiner sprach jemals über sein Einkommen, obwohl jeder wissen wollte, wieviel der andere verdiente. Und sobald das Thema Sex auf den Tisch kam, wurden sie zu ganz anderen Menschen. Die einen brachten plötzlich den Mund nicht mehr auf, andere wurden erst richtig redselig. Aber egal, wie sie sich veränderten, bei den meisten hatte ich den Eindruck, daß sie etwas anderes sagten, als sie dachten.
    Auf einem Spaziergang entlang der Isar kam mir neulich ein Pärchen entgegen. Sie hielten sich liebevoll umschlungen und gingen im Gleichschritt, aber jeder hatte ein Handy am Ohr und telefonierte. Das kam mir sehr typisch dafür vor, wie in Deutschland Gespräche geführt wurden.
    Deutschland unterschied sich sehr von meiner Heimat, trotzdem gab es zwei Gründe, warum ich blieb – wenn man dazu zählte, daß ich das erste Mal in Europa war und alles sehr aufregend fand, sogar drei.
    Zum einen fühlte ich mich bei Ed und B ausgesprochen wohl. Obwohl auch sie manchmal sehr verbissen dreinschauten, und beide von einer mir unbekannten Unruhe geplagt zu sein schienen, verband sie etwas, worum ich sie beneidete: eine Beziehung. Und die war wirklich etwas Besonderes, das lernte ich in jenen Wochen meines Besuchs. Ed und B reagierten sehr unterschiedlich, gingen unterschiedlich mit Situationen um, sie hatten sogar extrem unterschiedliche Interessen, und doch gehörten sie eindeutig zusammen. Auch sie waren zwar in vieler Hinsicht sehr deutsch, jeder auf seine Weise, aber da war eine Basis, ein Vertrauen, ein Halt, der mich zu Hause fühlen ließ.
    Ich war nicht der einzige, der das spürte, denn wir hatten oft Besuch – meist von Menschen, denen eben genau das fehlte. Ed und Bs Wohnung bot vielen ein Gefühl von Geborgenheit. Im Laufe der Wochen konnte ich immer wieder beobachten, wie völlig gestreßte Menschen an unserem Tisch Platz nahmen und sich innerhalb von Minuten entspannten. Ihre Freunde kamen mir vor wie durstige Elefanten, die in dieser Oase tranken, badeten und sich mit kühlendem Wasser bespritzten.
    Und es gab noch einen Grund, warum ich trotz allem, was mir in Deutschland nicht gefiel, blieb – der eigentlich Grund, warum ich überhaupt gekommen war. Aber zu dem Zeitpunkt war ich noch nicht bereit, darüber zu sprechen.

Bernhard *
     
    Es war schon hell. Ich zog meinen Arm unter einem Kopf heraus und stemmte mich hoch. Irgendwas war falsch hier. Irgend etwas war in unserem Schlafzimmer, was nicht hierhingehörte. Es war nicht einfach, bei heruntergelassenen Rolläden Genaues zu erkennen, schon gleich nicht wenn man so verschlafen war.
    Offensichtlich träumte ich noch, denn was ich sah, konnte nicht sein: Malvyn lag zwischen Edvard und mir im Bett. Ich lehnte mich zu meinem Mann hinüber und stupste ihn an. „Psst.“
    „Was?“ murrte er schlaftrunken, während ich die Nachttischlampe anschaltete.
    „Edvard. Mach die Augen auf!“ flüsterte ich eindringlich.
    Er blinzelte und erschrak, als sein Blick auf Malvyn fiel. Dann stemmte er sich hoch, rieb sich die Augen und glotzte unseren splitternackten Gast erst einmal von oben bis unten an – verdächtig lange, fand ich. Anfänglich mußte ihn der Anblick erfreut haben, denn ein genüßliches Grinsen legte sich über sein Gesicht, dann ist ihm wohl klar geworden, daß das der Anfang einer Katastrophe sein würde, denn schnell verwandelte sich das Grinsen in Entsetzen. Mit einem Ruck zog er die Decke über Malvyns Hintern hinauf bis zu den Schultern.
    Ich rollte aus dem Bett und ging in die Küche, ich brauchte dringend Kaffee. Vielleicht bestand

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