Eine Wohnung mitten in der Stadt (German Edition)
ein verzweifeltes Lachen.
Edvard schaute mich an, als hätte ich ihm gerade gestanden, daß ich das Baby unserer Nachbarin zum Abendessen gekocht hatte. Dann sprang er von seinem Stuhl auf und schrie: „Sag, daß das nicht wahr ist, Malv. Sag einfach, es war ein Versehen, und dann vergessen wir das Ganze, okay? Malvyn, sprich mit mir!“
Aber Malvyn zögerte, schaute zu Edvard, zu mir und zurück, dann senkte er den Blick.
„Du kannst schwul werden, wo du willst, Malvyn. Fahr nach Berlin oder nach Amsterdam. Aber nicht hier. Bitte nicht in München, nicht solange du bei mir wohnst.“
„Sag mal, was ist denn los mit dir?“ fragte ich. „So kenne ich dich gar nicht.“ Ich ging zu Edvard hinüber, doch er war so außer sich, daß er mir auswich.
„Ja, verstehst du denn nicht, Bernhard? Er geht nach Simbabwe zurück und trompetet hinaus, daß er schwul ist, und alle werden denken, daß ich schuld daran bin.“
Wie lächerlich das klang. „Von dir hätte ich aber eine gelassenere Reaktion erwartet“, sagte ich ruhig.
„Keine Angst“, sagte Malvyn. „Ich habe nicht vor, zurückzugehen. Ich bleibe hier.“
Edvard wurde noch bleicher, ging auf den Tisch zu und ließ sich in seinen Stuhl fallen. Auch ich mußte mich setzen. Malvyn wollte nicht mehr zurück?
„Ich gehe nicht mehr in dieses Land, wo ich nicht sein darf, was ich bin. Ich will so leben wir ihr.“
„Das wird mir grad ein bißchen zuviel“, sagte Edvard sehr leise; verzweifelt klang es fast und entkräftet. „Ich rufe jetzt deine Mutter an, und dann fliegst du mit der nächsten Maschine nach Hause.“
„Nein, das tust du nicht!“ sagte Malvyn, und in seiner Stimme lag eine gefährliche Entschlossenheit.
Edvard stand auf, holte das Telefon und setzte sich wieder. „Sag mir die Nummer.“
Malvyn schüttelte verbissen den Kopf.
„Okay, wie du willst. Dann rufe ich jetzt meinen Vater an, der wird mir die Nummer schon geben.“ Edvard begann zu wählen, langsam und bedächtig. Er legte sich wohl schon Worte zurecht.
Malvyn sprang auf, lief in die Küche und kam mit dem Tranchiermesser zurück.
„Malvyn!“ Ich sprang auf und wollte nach ihm greifen, aber er tat einen Schritt zurück und bohrte sich die Spitze in die Brust direkt über seinem Herzen. Er stach so hart zu, daß Blut herauslief. „Wenn ihr mich zurückschickt, bringe ich mich um.“
„Bist du verrückt?“ sagte ich. „Leg sofort das Messer weg!“
„In Simbabwe werden sie mich töten. Dann mach ich lieber gleich Schluß.“
Edvard ließ den Hörer sinken.
„Keine Panik, Malvyn“, sagte ich bestimmt und ging mit weichen Knien auf ihn zu. „Ganz ruhig. Du siehst, Edvard hat schon aufgelegt. Gib mir das Messer.“
Malvyn trat zurück und stach härter zu. Das Blut fing sich in seinem weißen Tanga und färbte ihn rot. „Erst wenn ihr versprecht, daß ihr mich nicht wegschickt.“
Dieser Moment war so geladen, daß er mir unwirklich erschien. Ich wußte nicht, ob ich lachen oder weinen oder mich übergeben sollte. Ich machte noch einen Schritt auf Malvyn zu.
„Bleib stehen“, forderte er und ging weiter zurück.
Ich drehte mich nach Edvard um, der kreidebleich am Tisch saß. „Sag was, du Idiot! Worauf wartest du?“ Aber Edvard blieb stumm. „Du mußt nicht gehen“, sagte ich – schließlich hatte ich durch Hannah gelernt, zu verhandeln. „Ich verspreche dir, daß du bleiben kannst.“
Malvyn schaute mich an. „Ist das dein Wort, Bruder?“
„Ja, Bruder. Du hast mein Wort.“
Malvyn ließ das Messer sinken. Ich sprang vor und gab ihm eine schallende Ohrfeige. Dann zerrte ich ihn an der Hand ins Bad.
„Danke für deine Unterstützung“, sagte ich zu Edvard im Vorbeigehen. „Super Hilfe.“
Ich setzte Malvyn auf den Rand der Badewanne, befeuchtete einen Waschlappen mit heißem Wasser und wischte seine Wunde, seine Brust und seinen Bauch ab. Es perlte zwar noch etwas Blut hervor, aber es war nur eine oberflächliche Stichwunde. Der Idiot. Am liebsten hätte ich ihm gleich noch mal eine geknallt.
Ich tupfte die Wunde mit einem von Edvards After Shaves ab, bevor ich ein Pflaster darüberklebte. Dann wusch ich den Waschlappen aus, tränkte ihn noch einmal mit heißem Wasser und warf ihn ihm in den Schoß. „Du ziehst jetzt dieses Ding da aus, wäschst dich und gehst in dein Zimmer. Dort bleibst du solange, bis ich dich rufe.“
Malvyn saß da wie ein geschlagener Hund.
„Hast du mich verstanden, Malvyn?“
Er nickte.
„Laß mich allein
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