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Eine Zuflucht aus Rosen

Eine Zuflucht aus Rosen

Titel: Eine Zuflucht aus Rosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen Gleason
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dem Abendessen den ganzen Abend lang schon im Hinterkopf herumgespukt war: Lord Mal Verne. Der Mann war barsch und grob und unfreundlich, aber sie empfand immer noch genau die gleiche Faszination für ihn. Vielleicht war der Grund dafür, dass sie – auch wenn er biss und knurrte – hinter der Härte seines Gesichts und der stählernen Kälte seiner Augen weitere Schichten, neue Tiefen sah, die etwas anderes andeuteten ... Schmerz, vielleicht, oder Furcht...
    Madelyne schüttelte den Kopf und verwarf diesen abwegigen Gedanken. Mal Verne war ein Mann – ein wilder, harter Mann, ihrem eigenen Vater nicht unähnlich – und es war töricht von ihr zu glauben, dass sie da mehr sah.
    Sie drehte sich um, um nach Jube zu rufen. Auf einmal war sie bereit in ihr Zimmer zurückzukehren und diese Grübeleien beiseite zu legen, aber zu ihrer Überraschung waren er und sein Begleiter verschwunden. Als sie sich nach hinten umdrehte, um zu sehen, ob sie vielleicht etwas weiter an der Mauer entlang spaziert waren, entdeckte sie niemanden. Madelyne trat näher an den Rand der Mauer heran und schaute hinab in den Innenhof, der sich in der letzten Stunde fast geleert hatte und wo es jetzt still war.
    Eine Bewegung hinter ihr machte, dass sie herumwirbelte, ihre Röcke verwickelten sich etwas um ihre Beine und die Kapuze fiel ihr vom Kopf. „Lord Mal Verne.“
    Es war unmöglich ihn nicht wiederzuerkennen. Denn auch wenn die Sonne fast hinter dem Horizont niedergesunken war und der Mond noch nirgends entdeckt werden konnte, so gab das Feuer von den Fackeln an der Mauer doch genug Licht ab, um den Umriss zu erkennen, der sich aus den Schatten löste. Groß, mit dichtem, überlangem Haar, das im Wind wild flatterte. So stand er vor ihr, die Hände an den Hüften über seiner Tunika gefaltet. Diese zurückhaltende Art strafte die Vitalität Lügen, die er wie immer verströmte, und Madelyne nahm diese – wie so oft schon – überdeutlich wahr.
    „Wenn Ihr vorhabt zu springen, so wäre es besser, dies an der Ostseite in die Tat umzusetzen“, bemerkte er zu ihr, als er auf sie zutrat. „Dort fällt der Hügel gleich zu den Klippen und zur See hinab. Felsen und Brandung würden sicherstellen, dass die Tat auch vollendet würde, anstatt ein verkrüppeltes Etwas zu hinterlassen.“
    „Es war nicht meine Absicht zu springen“, entgegnete Madelyne, die sich ihres sprunghaft ansteigenden Herzschlages nur allzu bewusst war. „Es ist eine Todsünde.“
    Er betrachtete sie einen Augenblick lang, seine schlichten, markanten Gesichtszüge erschienen fast schön in dem Halbschatten hier. Dann verzogen sich seine Lippen – voll, groß und hart – zu einem ganz leisen Lächeln. „Ach, ja. Wie dumm von mir das zu vergessen. Man kann sich den Tod wünschen, kann sich ihm im Kampf anbieten oder anderswo – aber man darf die Dinge nicht selbst in die Hand nehmen und dann das Heil erwarten.“
    Madelyne wusste auf diese Worte nichts zu sagen, denn sie spürte da noch eine andere Bedeutung darin – ein fast melancholisches Gefühl. Stattdessen starrte sie weiter auf das immer dunkler werdende Land da draußen.
    Mal Verne stand neben ihr, ohne ein Wort. Und dennoch war sie sich jedes Atemzuges von ihm so bewusst, wie sie ihren eigenen Puls in ihren Adern schlagen fühlte. Seine Hand ruhte auf dem hüfthohen Stein und sie sah, wie lang und dick seine Finger waren, wie die Sehnen und Adern und Narben auf dem Handrücken Muster bildeten. Wie stark sein Handgelenk neben ihrem eigenen – ach so schmalen! – aussah.
    Schließlich unterbrach er das Schweigen. „Wenn Ihr nicht hier herauf geklettert seid, um Jube zu entkommen, indem Ihr die Sache selbst in die Hand nehmt und springt, weswegen seid Ihr hier heraus gekommen, mitten in einem heraufziehenden Sturm?“
    Madelyne blickte hinüber zu dem Blitzschlag, der im Norden aufflackerte, jetzt näher bei ihnen, dann wieder hinab auf ihre eigene Hand neben seiner auf der Mauer. Schmal und blass, war ihre Hand gerade mal ein Drittel so breit wie einer der Steine dort, wohingegen seine Hand fast die gesamte Breite eines anderen abdeckte. Eine aufblitzende Erinnerung überrumpelte sie da – das Bild von einer Hand, so kraftvoll und breit wie die Mal Vernes, zum brutalen Schlag erhoben in tiefer Finsternis.
    Die Erinnerung war so übermächtig, dass sie ohne es zu wollen einen Schritt rückwärts tat, ihre Hand an die Brust legte, um sich den Mantel enger zu ziehen. Er drehte rasch den Kopf, um sie

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