Eine zweite Chance für den ersten Eindruck (German Edition)
gut gelandet sind und Lucy fast den ganzen Flug verschlafen hat. Er klingt allerdings vollkommen übermüdet und verabschiedet sich direkt wieder. Das kann ich ihm aber auch nicht übel nehmen, da die Gebühren selbst für dieses kurze Telefonat erschreckend sein werden. Nach seinem Anruf gehe ich gleich ins Bett und fühle mich irgendwie einsam. Eric ist auf einem anderen Kontinent und das fühlt sich fast so an, als wäre er vollständig verschwunden. Ich umklammere mein Kissen und rede mir ein, ihn immer noch daran riechen zu können.
Die nächsten Abende (in Texas Mittag) verbringen wir damit, eine stabile Videoverbindung aufzubauen, was jedoch erfolglos bleibt. Also begnügen wir uns damit, uns Nachrichten per Mail oder ICQ zu schicken. Eric schickt mir Fotos von einem Baseballspiel mit seinen Freunden. Er sieht gelöst aus und scheint Spaß zu haben. Lucy verbringt die meiste Zeit alleine mit ihren Großeltern und scheint sich auch zu vergnügen. Es ist albern, aber ich fühle mich so ausgeschlossen, da es ein Teil von Erics Welt ist, der mir vollkommen fremd ist.
Fünf Tage nach seiner Abreise fühle ich die ersten Anzeichen einer Grippe und beschließe, früh ins Bett zu gehen. Eric kann ich bis dahin nicht online erwischen, also schicke ich ihm eine Mail als Erklärung und lege mich, nach einer ordentlichen Portion Vitamin C und Aspirin, ins Bett.
Am nächsten Morgen geht es mir nicht besser, also melde ich mich im Kindergarten krank und verziehe mich mit einem heißen Tee auf die Couch. Ich fahre meinen Laptop hoch und hoffe auf eine Antwort von Eric. Vergeblich. Frustriert schalte ich den Fernseher ein und verfolge die Nachrichten. Die letzte Meldung an diesem Morgen kommt mir vor wie ein schlechter Albtraum, doch leider wache ich nicht daraus auf.
Heute Nacht fegte ein schwerer Tornado über Texas. Am schlimmsten betroffen sind die Städte Dallas und Austin. Hunderte Häuser sind eingestürzt oder schwer beschädigt. Es wird mit Hunderten Verletzten und Toten gerechnet. Die Stromversorgung der betroffenen Städte ist bis jetzt noch nicht vollständig wieder hergestellt. Verantwortlich für den Tornado ist vermutlich das für November extrem milde Wetter in Texas.
16.
Hektisch schreite ich vor dem Fernseher auf und ab und versuche immer wieder, Erics Handy zu erreichen. Als die Bandansage mir zum zwanzigsten Mal verkündet, dass der gewünschte Gesprächsteilnehmer zurzeit nicht zu erreichen ist, bin ich kurz davor, mein Telefon mit Wucht in die Ecke zu feuern. Mein Schädel pocht von dieser verfluchten Erkältung, aber auch weil meine Gedanken unkontrollierbar durch mein Hirn rasen. Das darf einfach nicht passieren, das muss ein furchtbarer Albtraum sein. Wir haben doch alle schon genug verloren, das darf nicht wahr sein.
Ich weiß nicht, was ich tun soll. Mir fehlt ansonsten jeglicher Zugriff zu ihm. Ich kann noch nicht mal die Telefonnummer seiner Eltern herausbekommen, da es sich offensichtlich um eine Geheimnummer handelt.
Es bleibt mir keine andere Wahl. Ich ziehe mir rasch einen Kapuzenpullover und eine Jeans über und schlüpfe an der Haustür in meine Schuhe. Fast schon hysterisch suche ich meinen Autoschlüssel, den ich schließlich in meiner Manteltasche finde. Im Auto atme ich erst ein paar Mal tief durch, um wieder zu Verstand zu kommen, bevor ich den Motor starte und mich dann auf den Weg zu Erics Eltern mache.
Ich bleibe ein paar Minuten vor der Haustür im Auto sitzen und überlege, ob es wirklich eine gute Idee ist, dort zu klingeln. Schließlich bringe ich den Mut auf, aus dem Auto auszusteigen. Klingeln muss ich gar nicht mehr, denn Emma reißt schon die Tür auf, ehe ich nur ansatzweise auf der Fußmatte stehe.
„Es tut mir leid, ich wusste nicht …“, setze ich an, doch Emma fährt mir gleich über den Mund und zieht mich ins Haus.
„Honey, du musst dich nicht rechtfertigen. Come in.“
Kathy sitzt auf der Couch vorm Kamin und nickt mir als Begrüßung zu. Ich sehe Andrew, der in einem anderen Zimmer, welches aussieht wie ein Büro, mit einem Telefon in der Hand auf und ab läuft und wild gestikulierend mit jemandem spricht. Da er Englisch spricht, und das ziemlich schnell und hektisch, verstehe ich kein Wort. Auf dem Fernseher läuft im Hintergrund leise ein amerikanischer Nachrichtensender. Ich muss gleich wieder wegsehen, denn mir springen sofort Bilder von der massiven Zerstörung in Texas ins Auge.
Ich zucke erschrocken zusammen, als Emma mir eine Hand
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