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Eine zweite Chance

Eine zweite Chance

Titel: Eine zweite Chance Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Alvtegen
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und darauf folgt ein tiefer Seufzer. Die Stille breitet sich in der Küche aus, als wäre ihren Eltern die Luft ausgegangen. Emelie steht ganz still. Niemand darf sie entdecken und wissen, dass sie gelauscht hat. »Können wir nicht einfach diesen verdammten Hof verkaufen, nach Hause ziehen und in eine Familientherapie gehen? Wir könnten wenigstens den Versuch wagen, wieder zueinanderzufinden?«
    »Und Mikaela? Soll sie auch bei dieser Familientherapie dabei sein?« Die Nähmaschinennadel rast weiter.
    »Mikaela ist doch nur ein Symptom, kapierst du das nicht? Wenn es nicht einen Riss gegeben hätte, wäre das ja nicht passiert.«
    »Ein Symptom dafür, dass ich dir nichts mehr bedeute, wie? Oder was?«
    »Meine Güte, Helena, du klingst ja wie eine verdammte Fünfjährige. Ich bin doch verdammt nochmal derjenige, der dir anscheinend nichts mehr bedeutet! Du willst mich ja nicht mal anfassen!«
    Wäre sie nur fünf Minuten früher aufgestanden. Nur fünf jämmerliche kleine Minuten. Dann hätte sie den Bus noch erwischt und bräuchte das hier nicht zu hören. Jetzt weiß sie Dinge, die sie nie hätte erfahren wollen. Von denen sie ab jetzt vorgeben muss, sie nie gehört zu haben.
    Es ist ihr Vater, der fortfährt. »Wenn wir das hier schaffen wollen, müssen wir es zusammen tun, wir müssen es beide wollen.«
    »Ich dachte, du hättest gerade gesagt, wir wären zu dritt.«
    »Okay, soll ich diese Antwort so deuten, dass es dich nicht interessiert?«
    »Du kannst das hier deuten, wie zum Teufel du willst. Ruf Mikaela an, was sie meint.«
    »Hör jetzt auf, Helena. Wir haben uns nur ein paarmal unterhalten. Sie hat keine Ahnung davon, dass ich mich verliebt habe.«
    »Das müssen ja interessante Gespräche gewesen sein.«
    »Ja, das waren sie! Zur Abwechslung gab es mal jemanden, mit dem man reden konnte! Jemand, der sogar meine Gesellschaft zu schätzen schien. Es war richtig verwirrend. Aber das Beste von allem, weißt du, das war, dass sie den Mut hatte, zu ihren Ansichten zu stehen.« Ein Stuhl wurde mit einem wütenden Geräusch zurückgeschoben. »Entschuldige, Helena, das war dumm gesagt, geh jetzt nicht, da wir uns gerade hingesetzt und angefangen haben zu reden.« In der Diele sind Schritte zu hören, und die Küchentür wird mit einem Knall geschlossen. Andere Schritte folgen, und die Tür wird wieder geöffnet. »Okay, dann geh doch, verdammt nochmal, dann weiß ich wenigstens, woran ich bin.«
    Eine Autotür wird zugeschlagen, und der Motor startet. Emelie bleibt stehen und hält den Atem an. Die Küchentür wird geschlossen, und alle Geräusche verschwinden. Sie sinkt zu Boden, dort in der Speisekammer. Erst als sie sicher ist, dass niemand sie sieht, schleicht sie hinauf in ihr Zimmer. Dort versteckt sie sich, bis es Mittag wird. Als der Bus unten auf der Straße vorbeigefahren ist, wartet sie eine Weile, ehe sie wieder hinuntergeht und so tut, als sei sie gerade nach Hause gekommen.
    Ein paar Tage ziehen vorbei. Ihre Eltern tun das, was sie gewöhnlich tun. Von außen wirkt alles normal, aber sie täuschen sie nicht mehr.
    WutUnruheEkel. Alles, was sie empfindet, gerät durcheinander.
    An den Abenden schleicht sie um sie herum, hört aber nichts als Schweigen. Sie scheinen sich selten im selben Zimmer aufzuhalten. Das Abendessen wird eilig verzehrt, sie ist diejenige, die am meisten redet, die beiden sagen nichts zueinander. All die fehlenden Blicke sind greifbar. Die Leere über dem Tisch füllt sich stattdessen mit Unbehagen. Ihre Mutter beginnt mit dem Abräumen, bevor sie fertig gegessen haben.
    Am dritten Tag kommt ihr Vater, um mit ihr zu reden. Er setzt sich auf das Bett in ihrem Zimmer, scheint aber ausnahmsweise Schwierigkeiten zu haben, die richtigen Worte zu finden. Es tut mir leid, Emelie , sagt er schließlich, aber deiner Mutter und mir fällt es im Moment schwer, uns zu verstehen. Sie will hierbleiben, aber ich möchte zurückziehen. Erst werde ich bei deinen Großeltern wohnen, aber dann, wenn ich eine Wohnung gefunden habe, kannst du selbst entscheiden, ob du hierbleiben willst oder zu mir nach Stockholm ziehst.
    Mikaela erwähnt er nicht.
    Erst einen Monat später, als Emelie für ein Wochenende zu ihm fährt. Er wohnt noch immer bei den Großeltern, aber ihr wird klar, dass etwas geschehen ist. Ihr Vater ist anders. Fröhlicher, irgendwie. Das Wochenende füllt sich mit Dingen, die sie lange nicht gemacht haben. Es gibt keine Verpflichtungen, die sie stören, die Zeit gehört ihnen

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